Leo Berlin
vor.«
»Er ist Politiker,
sitzt für das Zentrum im Reichstag«, erklärte Frau
Winkler. »Sie kennen den Namen sicher aus der Zeitung.«
»Natürlich. Und
Sie kennen Herrn Dießing schon lange?«
»Ja, er ist eine Art
Stammkunde unseres Hauses. Wir fanden die Idee mit der Brosche damals ganz
reizend.«
»Da haben Sie Recht«,
pflichtete Robert ihr bei. »Wir bedanken uns für Ihre Hilfe.
Falls wir noch Fragen haben, melden wir uns.«
»Ich hoffe, Herrn Dießing
ist nichts zugestoßen«, sagte Herr Winckler besorgt. »Wegen
des Mordfalls, meine ich.«
»Wir dürfen nicht
über unsere Fälle sprechen, aber ich kann Sie beruhigen. Wir
gehen davon aus, dass Herr Dießing bei bester Gesundheit ist. Sie
haben doch sicher seine Adresse in Ihren Unterlagen?«
Frau Winckler nickte
bereitwillig und holte ein schwarzes Adressbuch. Sie notierte Adresse und
Telefonnummer auf einen Zettel und reichte ihn Leo. »Ich hoffe, Herr
Dießing bekommt durch uns keine Schwierigkeiten«, sagte sie
verbindlich.
Draußen auf der Straße
sah Robert Leo an. »Diese Hoffnung wird sich wohl nicht erfüllen.«
»Nein. Er wird uns erklären
müssen, wie das Silberhochzeitsgeschenk seiner Frau in den Besitz
einer heruntergekommenen Prostituierten gelangt ist. Vorausgesetzt, es war
nicht von Anfang an für Erna Klante bestimmt.«
»Du meinst . . . er war
ihr Freier?«
»Warum nicht? Sie hatte
immerhin bessere Zeiten erlebt. Warum soll er nicht Gast in ihrem Bordell
gewesen sein? Er findet Gefallen an ihr, wird ihr Stammfreier, schenkt ihr
das Schmuckstück. Und sie trennt sich erst davon, als ihr kein
anderer Ausweg bleibt.«
»Das wird eine
unangenehme Überraschung für Herrn Dießing. Zentrum, also
katholisch und konservativ.«
Robert pfiff durch die Zähne.
»Das passt ja.«
»Lass uns zu Dießing
nach Zehlendorf fahren.«
»Um diese Zeit?«
»Selbstverständlich.
Notfalls wird seine Frau schon Auskunft geben, wo wir ihn antreffen können.«
Die Villa war aus dunkelrotem
Backstein, efeubewachsen, von dezenter Eleganz. Keine neumodischen Schnörkel,
sondern ein Muster bürgerlichen Wohlstands. Als Leo und Robert
ausstiegen, sprang ein junges Mädchen im Sportmantel die Treppe
herunter, gefolgt von einem kläffenden Cockerspaniel. Sie sah die
Besucher fragend an.
»Wechsler mein Name,
das ist Herr Walther. Wir möchten Herrn Dießing sprechen.«
Sie schaute unschlüssig
zum Haus, dann wieder zu den Polizisten. »Er ist im Arbeitszimmer,
muss aber gleich zu einer dringenden Sitzung. Wenn Sie . . .«
»Vielen Dank, wir
finden uns schon zurecht.«
Leo ging unbekümmert in
die Eingangshalle, wo ihm ein Hausmädchen mit einem Tablett
entgegenkam. »Sie wünschen?«
Leo wiederholte die Prozedur.
»Der gnädige Herr
möchte nicht gestört werden.«
Nun zückte er seinen
Ausweis. »Kriminalpolizei. Bitte führen Sie uns zu Herrn Dießing.«
Sie stellte das Tablett ab,
ging zu einer Tür am Ende der Halle und klopfte an. Nach einem kurzen
Wortwechsel winkte sie Leo und Robert herbei. »Herr Dießing
erwartet Sie.«
Sie knickste und verschwand.
Der Abgeordnete Kurt Dießing
sah aus, wie man sich einen konservativen, wohlanständigen Politiker
vorstellte. Gepflegter Spitzbart, goldene Uhrkette über der Brust,
grauer Maßanzug, Gamaschen. Er begrüßte sie eilig.
»Ich muss zu einer dringenden Sitzung, meine Herren. Ich hoffe auf
Ihr Verständnis.«
Leo schloss sanft die Tür.
»Leider müssen wir Ihre Zeit ein wenig in Anspruch nehmen, Herr
Dießing. Nehmen Sie doch Platz.«
Verwundert setzte sich der
Abgeordnete hinter seinen Schreibtisch und bot den Polizisten ebenfalls
zwei Sessel an. »Worum geht es eigentlich? Was hat die Polizei in
meinem Haus zu suchen?«
Leo packte die Brosche aus
und legte sie auf den Mahagonischreibtisch. Dießing wurde blass und
griff nach einem Füllfederhalter, als wollte er sich an irgendetwas
festhalten. »Was . . . was soll das bitte?«
»Kennen Sie das
Schmuckstück? Sie können es ruhig in die Hand nehmen und die
Gravur lesen.«
Dießing entschied sich
anders und ging in die Offensive. »Ich brauche sie nicht zu lesen.
Ich habe diese Brosche in Potsdam anfertigen lassen. Das muss vor etwa
zehn, zwölf Jahren gewesen sein. Wie ist sie in Ihren Besitz gelangt?«
»Das werde ich Ihnen zu
gegebener Zeit erklären, Herr Dießing. Allerdings möchte
ich Sie darauf
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