Leo Berlin
hinweisen, dass ich hier die Fragen stelle. Für
wen war die Brosche bestimmt?«
»Ich glaube nicht, dass
ich derart persönliche Fragen beantworten muss, Herr Kommissar.«
Dießing hatte seine Selbstsicherheit wiedergewonnen.
»Ich glaube doch.«
Leo lehnte sich gelassen in seinem Sessel zurück. »Wir
untersuchen einen Mordfall. Das Opfer hat diese Brosche vor einiger Zeit
in einem Pfandhaus in der Linienstraße versetzt. Wir rekonstruieren
die Vergangenheit des Opfers und überprüfen dabei alle Spuren.
Die Brosche genießt dabei besonderen Vorrang.«
Dießing wirkte nicht
mehr ganz so selbstsicher. »Wer ist das Opfer?«
»Das sage ich Ihnen,
wenn Sie mir verraten, für wen die Brosche bestimmt war. In der
Goldschmiede Winckler sprach man von einem Geschenk für Ihre Frau zur
Silberhochzeit.«
Dießing drehte seinen Füllfederhalter
zwischen zwei Fingern und schwieg. Dann fuhr er sich nervös mit der
Zunge über die Lippen und sagte: »Ich hoffe, das bleibt unter
uns.«
Leo kehrte fragend die Hände
nach außen.
»Diese Brosche war ein
Geschenk für eine, nun ja, eine Freundin. Eine Dame, mit der ich
damals näheren Umgang pflegte. Da ich sie manchmal Käferchen
nannte, kam mir irgendwann der Gedanke, ihr mit einer Käferbrosche
eine Freude zu bereiten.«
»Und hat sie sich
gefreut?«, konnte Robert sich nicht verkneifen.
»Sehr.«
»Und wie hieß die
werte Dame?«
»Ich kenne nur ihren
Vornamen.«
»Auch der hilft uns
weiter, Herr Dießing.«
»Sie hieß Erna.«
»Ausgezeichnet«,
sagte Leo. »Und wo haben Sie Umgang mit ihr gepflegt?«
Dießing schaute nervös
zur Tür. Leo fragte sich, ob er eher fürchtete, seine Sitzung zu
versäumen oder von seiner Frau überrascht zu werden. Leo räusperte
sich, um die Aufmerksamkeit des Politikers wieder auf die Befragung zu
lenken.
»Es war in einem
Etablissement in Charlottenburg. Es nannte sich Haus Elvira, ganz diskret.
Ich bin früher oft dorthin gegangen, um mich zu entspannen.«
»Und dort haben Sie
Erna Klante kennen gelernt?«
»Sie fiel mir gleich
auf. Nicht mehr jung, aber ich konnte nie viel mit jungen Dingern
anfangen. Sie hatte Erfahrung, das fand ich reizvoll. Keine Frau, der man
alles erklären musste. Und als Dank für die angenehmen Stunden,
die ich mit ihr verbracht habe, schenkte ich ihr die Brosche.«
»Wussten Sie, dass Erna
an Syphilis erkrankt war?«
Dießings Kopf schnellte
hoch. Er wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn. »Ich
. . . ja, ich habe es später irgendwann erfahren. Sie war auf einmal
nicht mehr anzutreffen. Also habe ich mich bei Madame Elvira nach ihr
erkundigt. Sie druckste herum, schließlich war eine derartige
Erkrankung keine Empfehlung für ihr Haus. Als ich davon erfuhr, habe
ich mich sofort zu einem Arzt meines Vertrauens begeben. Ich hatte Glück
gehabt und mich nicht angesteckt.«
»Wann genau war das?«
»Lassen Sie mich überlegen.
Die Brosche habe ich ihr 1910 geschenkt. Dann war ich lange mit meiner
Frau verreist, wir haben uns anlässlich der Silberhochzeit die Welt
angeschaut. Irgendwann im folgenden Jahr wollte ich Erna wieder sehen und
traf sie nicht mehr dort an.«
»Gut. Dann hat sie das
Bordell also 1911 verlassen.«
Bei dem Wort Bordell zuckte
Dießing sichtlich zusammen, doch Leo nahm keine Rücksicht auf
die wohlanständige Fassade. »Geben Sie mir bitte die Adresse,
Herr Dießing. Und den Namen der Inhaberin.« Unwillig notierte
dieser Namen und Anschrift auf einen Briefbogen und schob ihn Leo hin.
»Ich bitte Sie um Diskretion.«
»Die kann ich Ihnen
nicht garantieren.«
»Wir hatten eine
Abmachung, Herr Kommissar. Ich sage Ihnen, für wen die Brosche
angefertigt wurde, und Sie verraten mir den Namen des Opfers.«
Robert schaute Leo aus dem
Augenwinkel an, dann wartete er gespannt auf Dießings Reaktion.
»Das Opfer heißt
Erna Klante, Prostituierte, wohnhaft in einem Hinterhofverschlag im
Scheunenviertel. Sie wurde erdrosselt«, antwortete Leo nüchtern.
»Vermutlich handelt es sich um die ehemalige Besitzerin der Brosche.
Wo waren Sie in der Nacht vom vergangenen Samstag auf Sonntag?«
Schweiß perlte von Dießings
Stirn. Seine mühsam bewahrte Haltung schwand dahin. »Im Bett,
ich war in meinem Bett. Aber Sie haben gewiss nicht vor, sich dies von
meiner Frau bestätigen zu lassen?«
»Momentan nicht. Es ist
allerdings möglich, dass
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