Leo Berlin
eine Fußstreife vorbei.«
»War sonst niemand im
Haus?«
»Wohl nicht. Es sind
nur drei Wohnungen, eine ist zu vermieten, die Mieter der dritten sind
verreist.«
»Dabei hatte ich es mir
gerade mit einem Buch bequem gemacht«, meinte Leo seufzend, als der
Wagen am Charlottenburger Schloss vorbei den Spandauer Damm entlangschoss.
Er bog einmal links ab, rechts, dann waren sie in der Nussbaumallee.
Walther hielt vor einer eleganten Mehrfamilienvilla, die in einem üppigen
Garten mit alten Bäumen lag. Die Männer stiegen aus, Walther mit
seiner Kamera bewaffnet, Stahnke und Berns mit dem
Spurensicherungsbesteck, und gingen durch das Gartentor zu der säulenflankierten
Eingangstür. Auf ihr Klingeln öffnete ein Schutzpolizist die
zweiflügelige Haustür und grüßte.
»Guten Abend. Kommen
Sie bitte mit. Der Arzt wird gleich kommen.«
Das Treppenhaus war ganz in
Weiß gehalten, weiße Marmortreppe, weiß getünchte
Decke mit üppigen Stuckornamenten. Das Geländer hatte einen
Handlauf aus poliertem honigfarbenem Holz und war aus glänzend
schwarzem Schmiedeeisen. Ganz schön feudal, dachte Leo bei sich. Der
Polizist führte sie in den ersten Stock, wo hinter einer Wohnungstür
lautes Schluchzen hervordrang. »Die Haushälterin, Elisabeth
Moll«, sagte der Schupo leise. »Sie hat die Leiche gefunden.«
»Wurde die Wohnungstür
aufgebrochen?«, fragte Leo mit einem Blick auf das Schloss.
»Nein, sie war
vollkommen unversehrt. Frau Moll hat sie mit ihrem eigenen Schlüssel
geöffnet. Die Tür war nur zugezogen, nicht abgeschlossen. Darüber
hat Frau Moll sich gewundert, wie sie sagte. Im Wohnzimmer fand sie dann
die Leiche ihres Arbeitgebers«, erklärte der Streifenpolizist.
Leo nickte. »Gut.
Walther, Stahnke, Berns, ihr seht euch den Tatort an. Ich rede erst mal
mit der Frau.«
Leo fand die Haushälterin
in der Küche, wo sie vor einem Glas Weinbrand am Tisch saß und
sich die Tränen mit einem karierten Geschirrtuch abtrocknete. Ihr
dickes Gesicht mit dem Doppelkinn war stark gerötet, die Augen
verquollen. Er reichte ihr sein Taschentuch, worauf sie ihn dankbar und
zugleich verwirrt ansah. »Sind Sie von der Kriminalpolizei?«
»Kommissar Leo Wechsler«,
stellte er sich vor. »Erzählen Sie mir bitte in Ruhe, was
geschehen ist.« Er setzte sich zu ihr an den Tisch.
»Ich, na ja, ich sollte
um sieben kommen und sauber machen. Kochen brauchte ich nicht, weil Herr
Sartorius«, sie schluckte, als sie den Namen aussprach, »weil
er heute eingeladen war.«
»Bei wem?«
»Bei Konsul Werresbach
in Zehlendorf.«
»Er verkehrte also in
illustren Kreisen?«
»Er war ein Heiler, er
hat vielen Menschen geholfen. Auch armen Leuten«, fügte sie
hinzu, als wollte sie ihn nachträglich in Schutz nehmen. »›Wer
viel bezahlen kann, bezahlt viel, wer wenig hat, zahlt wenig‹, hat
er mal zu mir gesagt. Wie er das mit dem Heilen gemacht hat, weiß
ich aber auch nicht. Davon verstehe ich nichts«, sagte sie
entschuldigend.
»Darum kümmern wir
uns noch. Wie war er denn so als Mensch? Lebte er allein? Hatte er
Familie? Ich muss das alles fragen, damit ich mir ein Bild von dem Toten
machen kann. Wir müssen herausfinden, wer ihn getötet hat, aber
das ist nur möglich, wenn wir ihn nachträglich kennen lernen.
Verstehen Sie das?«
Frau Moll nickte. »Er
wohnte allein und hatte, soweit ich weiß, auch keine Verlobte. Seine
Familie lebt irgendwo im Osten. Er war immer freundlich. Hat nie ein böses
Wort zu mir gesagt. Und als ich letztes Jahr den schlimmen Hexenschuss
hatte, hat er mir die Hände auf den Rücken gelegt, einfach so.
Mir wurde ganz warm, das hat Wunder gewirkt.«
»Gab es denn auch
Leute, mit denen er Streit hatte? Ehemalige Patienten vielleicht, denen er
nicht geholfen hat? Die sich um ihr Geld betrogen fühlten?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nicht, dass ich wüsste. Aber ich bin auch nur die Haushälterin
. . . ich meine, ich war
–« Sie schluckte
wieder, und Leo spürte ihre Angst, sich in diesen Zeiten nach neuer
Arbeit umsehen zu müssen. Eine Stelle wie diese war Gold wert und
ungeheuer schwer zu finden.
Er stand auf und legte ihr
die Hand auf den Arm. »Bleiben Sie bitte noch hier. Beruhigen Sie
sich ein wenig, ich komme später noch einmal zu Ihnen.«
Mit diesen Worten verließ
er die Küche und ging zu den Kollegen ins Wohnzimmer.
Gabriel Sartorius lag auf
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