Leo Berlin
dem
Rücken, die Arme weit ausgestreckt, ein Bein gerade, das andere
angewinkelt. Sein Kopf war von einer roten Lache umgeben, die langen Haare
waren an der rechten Kopfseite mit Blut verklebt und hingen dem Toten ins
Gesicht, so dass Leo die Züge nicht erkennen konnte.
Die Kollegen hatten bereits
ganze Arbeit geleistet. Ein Kreidekreuz markierte eine Stelle nicht weit
vom rechten Arm der Leiche. Daneben lag ein grüner Gegenstand.
Leo kniete sich hin.
»Das ist eine Figur aus
. . . wie heißt dieser grüne Stein doch gleich?«, fragte
Stahnke, ein kräftiger Mann mit rotem Walrossschnurrbart.
»Jade. Ein Buddha aus
Jade.«
Walther begann den Tatort
sorgfältig zu photographieren, nahm zuerst das Opfer aus allen
Winkeln auf, dann den Buddha und das Wohnzimmer als Ganzes. Das
Kreidekreuz war die einzige Markierung im Raum.
»Sonst nichts?«,
fragte Leo erstaunt.
»Nein, Herr Kommissar«,
erwiderte Berns. »Keine Kampfspuren, keine Gegenstände, die auf
den ersten Blick nicht hierher gehören, keine aufgerissenen
Schubladen oder Schranktüren, nichts, was auf einen Raubmord
hinweist. Neben der Obstschale liegen Weintrauben, als hätte er davon
gegessen, bevor der Mörder ihn überraschte. Vermutlich wird man
im Magen Reste davon finden. Wir können die Haushälterin fragen,
ob ihr etwas auffällt, aber –«
»Lasst nur, sie hat
genug gesehen.« Walther wunderte sich immer wieder, wie rücksichtsvoll
Leo Wechsler mit den Beteiligten an Mordfällen umging, während
er sich seinen Kollegen gegenüber manchmal grob und unduldsam zeigte.
Der Kommissar sah sich den
Buddha näher an, ohne ihn zu berühren. Die Figur war
blutverschmiert, an einer Ecke des Sockels klebte ein Büschel Haare.
»Jedenfalls brauchen wir nicht lange nach der Mordwaffe zu suchen.
Einen Moment, ich komme gleich wieder.«
Er nickte den Männern
zu, die ihr Spurensicherungsbesteck auspackten und anfingen, sämtliche
Oberflächen von Möbeln, Gegenständen und Türklinken
mit feinen Pinseln und Rußpulver zu bestäuben, und ging noch
einmal in die Küche. Frau Moll hatte sich nicht von der Stelle gerührt
und sah ihn ängstlich an.
»Keine Sorge, ich habe
nur noch eine Frage. Vermutlich wurde Herr Sartorius mit einer Buddhafigur
aus grüner Jade erschlagen. Können Sie mir sagen, ob die Figur
ihm gehört hat und wenn ja, wo er sie aufbewahrte?«
»Meinen Sie den dicken
Mann?«, fragte Frau Moll spontan. »Der hat immer auf dem
Tischchen neben dem Diwan gestanden. Ich musste ihn jedes Mal hochheben,
wenn ich Staub gewischt hab. War ganz schön schwer.«
»Das glaube ich gern«,
entgegnete Leo und dachte an den zerschlagenen Kopf des Heilers. »Vielen
Dank. Die Kollegen nehmen jetzt noch Ihre Fingerabdrücke, danach können
Sie Ihre Aussage unterzeichnen. Wir melden uns, falls wir Sie noch einmal
brauchen.«
Die Haushälterin schaute
ihn entsetzt an. »Fingerabdrücke? Warum denn? Ich bin . . . ich
hab doch nicht . . .« Sie brach erneut in Tränen aus. Leo legte
ihr beruhigend die Hand auf die Schulter.
»Es ist eine reine
Vorsichtsmaßnahme, Frau Moll. Nur so kann unser Erkennungsdienst die
Fingerabdrücke des Täters von denen aller anderen Personen, die
sich in der Wohnung aufgehalten haben, unterscheiden. Und Ihre Aussage ist
uns sehr wichtig.«
Sie nickte, schniefte und
ging rasch zur Tür hinaus.
Leo kehrte ins Wohnzimmer zurück
und sah die Kollegen fragend an. »Schon was gefunden?«
»Nicht viel«,
meinte Stahnke. »Bis jetzt können wir nur wenig sagen, müssen
erst die Abdrücke des Toten nehmen. Die Haushälterin scheint
beim Staubwischen sehr penibel zu sein, es sind nur wenige brauchbare Abdrücke
vorhanden. Mal sehen, was wir an der Mordwaffe finden.« Er bückte
sich, streifte Handschuhe über und steckte den Buddha vorsichtig in
eine Papiertüte.
Leo schickte Berns zu Frau
Moll in die Küche, dann sahen er und Walther sich in den übrigen
Zimmern um.
Auf den ersten Blick wirkte
alles unberührt und aufgeräumt. Anscheinend war nichts
durchsucht worden. Er wies Stahnke und Berns an, sämtliche Türklinken
zu behandeln, obwohl ihm sein Gefühl sagte, dass der Täter nur
Flur und Wohnzimmer betreten hatte. Die ganze Wohnung war teuer
eingerichtet, mit einem Hang zum Exotischen. Das Bett war mit
orientalischen Schnitzereien verziert, an den Wänden hingen exquisite
chinesische
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