Leo Berlin
Tochter wird Sie
gleich begrüßen, Herr Edel.« Sie setzte sich auf die
Sofakante, als wollte sie jeden Moment wieder aufstehen. »Darf ich
fragen, was Sie so unverhofft zu uns führt?«
Er räusperte sich.
»Eigentlich hätte ich gern mit Ihnen und Ihrem Mann gemeinsam
gesprochen.« Er schaute sie fragend an.
»Bedaure, aber mein
Mann ist auf Geschäftsreise. Sie müssen mit mir vorlieb nehmen.«
»Gut. Sie als Mutter
– ich meine, es ist sicher auch erlaubt, mit Ihnen als Mutter von Fräulein
Viola zu sprechen.«
Seine umständliche,
altmodische Ausdrucksweise verwirrte sie, und sie blickte unwillkürlich
zur Tür, da sie hoffte, Viola möge sich zu ihnen gesellen. Aber
ihre Tochter ließ auf sich warten.
»Es ist Ihnen sicher
nicht entgangen, dass Fräulein Viola und ich einander näher
kennen gelernt haben.« Nun, da er einmal im Fluss war, sprach er
weiter, ohne auf Ellen Cramers verwunderten Gesichtsausdruck zu achten.
Das Taubheitsgefühl im Arm war fast verschwunden, er fühlte sich
kraftvoll und entschlossen. »Und wir haben eine, wie soll ich sagen,
gegenseitige Zuneigung festgestellt. Eine Art Seelenverwandtschaft. Viola
ist ein so reizendes Mädchen, nicht wie diese modernen Dinger mit
ihren kurzen Röcken und Frisuren, die immer laut und schamlos
daherreden.«
Auch jetzt bemerkte er nicht
Frau Cramers entgeisterten Blick.
»Daher habe ich Sie
heute aufgesucht, um offiziell Ihre Zustimmung zu unserer Verlobung zu
erbitten.«
Ein leiser Aufschrei an der Tür
ließ ihn hochfahren. Viola stand dort und sah ihn fassungslos an.
»Was erlauben Sie sich? Wie können Sie einfach herkommen und
–?«
Ihre Mutter erhob sich und
schaute ihre Tochter an. »Viola, sag mir bitte, was zwischen dir und
diesem Herrn vorgefallen ist.«
»Nichts, Mama, gar
nichts«, rief Viola Cramer entrüstet. »Wir haben uns auf
eurem Silvesterball kennen gelernt und danach ein paar Mal auf
Gesellschaften unterhalten und miteinander getanzt, das ist alles.
Letztens hat dieser Herr sogar behauptet, er habe mir einen Brief
geschrieben und sich zu einem Spaziergang mit mir verabredet. Was
ebenfalls nicht der Wahrheit entsprach.«
»Das hast du mir gar
nicht erzählt, Liebes.«
»Weil es mir nicht
wichtig schien, Mama.«
Er war aufgestanden. »Viola,
ich bitte Sie, so dürfen Sie nicht sprechen. Was ist mit unseren
gemeinsamen Gedanken, den Vorstellungen, die wir teilen, dem Gleichklang
unserer Wesen?«
»Sie reden wie ein
Buch!«, rief Viola spöttisch. Dann wurde sie wieder ernst.
»Ich möchte gern verstehen, was hier geschieht, aber –«
In diesem Moment trat Peter
Cornelissen in den Raum. »Verzeihung, Ellen, ich wollte mich nicht
in eure Familienangelegenheit einmischen, aber es bedarf in diesem Falle
wohl einer festeren Hand.« Er ergriff Max Edels Arm. »Ich
glaube, Sie fühlen sich nicht gut. Darf ich Ihnen einen Wagen rufen?«
Unwillig machte er sich los.
Was bildete sich dieser Grünschnabel ein? »Sie sind nicht
befugt, für die Familie zu sprechen, oder? Ich führe ein Gespräch
mit Frau Cramer und werde Ihre Einmischung nicht akzeptieren. Versuchen
Sie bitte nicht, sich in eine bestehende Verbindung zu drängen.«
Viola war vorgetreten.
»Was für eine bestehende Verbindung? Ich habe wirklich nie mit
ihm zu tun gehabt, es waren alles flüchtige Begegnungen in
Gesellschaft. Wenn ich alle Männer heiraten sollte, für die das
gilt, würde ich aus dem Heiraten nicht mehr herauskommen.«
»Viola, bitte«,
rief ihre Mutter streng. »Du siehst doch, dass Herr Edel sich nicht
wohl fühlt. Ich kann sein Verhalten nur auf eine starke emotionale
Verwirrung zurückführen. Sind Sie mit dem Wagen da? Peter, geh
doch bitte hinaus und sag dem Chauffeur Bescheid, dass Herr Edel gleich
seiner Dienste bedarf.«
Cornelissen wollte schon
gehen, als ihn Edel unvermittelt am Arm packte, zurückzog und grob in
einen Sessel stieß. »Sie halten sich da raus, verstanden?«
Er legte Viola vertraulich
die Hand auf die Schulter, worauf sie zurückwich. »Hören
Sie mich an. Sie sind mein Leben. Seit Monaten denke ich nur an Sie. Ich
habe vieles auf mich genommen, um Ihrer wert zu sein. Um Ihnen ein
wunderbares Leben an meiner Seite bieten zu können. Ich . . . ich
habe alles abgelegt, was schlecht war, alle Fesseln abgestreift.«
Ellen, Viola und Peter hörten schweigend zu, fasziniert und
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