Leo Berlin
in allen
Zeitungen.«
»Natürlich, aber
was hast du damit zu tun?«
»Ich war bei ihm.«
»Was soll das heißen?«
»Ich habe mich von ihm
behandeln lassen, gegen die Migräne.«
»Du warst doch immer
bei Dr. Stauss.«
»Aber er konnte mir
nicht helfen. Seine Medikamente haben überhaupt nichts bewirkt. Ich
wusste keinen Rat mehr, und als ich es gegenüber Elisa beiläufig
erwähnte, hat sie gesagt . . .«
»Elisa Reichwein? Na
wunderbar.« Er schob seine Kaffeetasse so energisch beiseite, dass
sie überschwappte. »Künstlervolk, Bohemiens mit losen
Sitten und gottlosen Ansichten.«
»Rudolf, ich wusste,
dass du so reagieren würdest, deshalb habe ich dir auch nichts davon
gesagt. Aber du solltest mir jetzt unbedingt zuhören. Ich war an dem
Tag, als Sartorius getötet wurde, bei ihm.«
»Bei ihm zu Hause?«,
fragte Rudolf fassungslos.
»Ja, er empfing alle
Patienten zu Hause.« Gut, dass ihr Mann die exotische
Wohnungseinrichtung nie zu Gesicht bekommen hatte.
»War die Polizei
deshalb bei dir?«
Ellen nickte. »Sie
wollten nur meine Zeugenaussage. Ob mir etwas aufgefallen sei, ob etwas
anders war als sonst, ob ich jemanden im Haus gesehen hätte. Aber ich
habe nichts Ungewöhnliches bemerkt.«
»Soll das heißen,
du hättest dem Mörder dort in die Arme laufen können?«
»Ich konnte doch nicht
ahnen, dass jemand Sartorius töten würde, gleich nachdem ich
seine Wohnung verlassen hatte.«
»Und was hat das alles
nun mit Max Edel zu tun?«
»Als er gestern diese
unglaubliche Szene machte, fiel mir plötzlich etwas ein.« Sie
spürte, wie sie allmählich seine volle Aufmerksamkeit gewann.
»Ich habe ihn in der Nähe von Sartorius’ Wohnung gesehen.
Am Tag des Mordes. Er stieg an der Ecke Nussbaumallee aus seinem Wagen,
ich habe ihn erkannt, er hat einen ganz eleganten Wagen in Weinrot und
Creme.«
Rudolf runzelte die Stirn.
»Das muss noch nichts bedeuten. Er kann dort alles Mögliche
gewollt haben.«
»Natürlich. Es ist
auch nur so ein Gefühl. Aber die Kriminalbeamten sagten, ich solle
mich melden, falls mir noch etwas einfiele. Damals dachte ich gar nicht
mehr an Herrn Edel, weil ich ihn nur flüchtig kannte und als ruhigen,
vornehmen Herrn erlebt hatte. Aber du hättest ihn gestern sehen
sollen. Als er hereinkam, wirkte er völlig gelassen und schien Herr
seiner Sinne. Aber dann – wie soll ich es sagen – hat er plötzlich
jeden Bezug zur Wirklichkeit verloren. Phantasierte sich wirres Zeug
über Viola zusammen, dann wurde er auch noch handgreiflich. Peter
musste ihn praktisch vor die Tür setzen. Ich habe mich richtig vor
ihm gefürchtet. Seine Augen sahen auch ganz komisch aus, irgendwie
starr.«
Rudolf Cramer seufzte.
»Du solltest vorsichtig sein. Solange wir nicht wissen, was ihn zu
diesem Verhalten getrieben hat, kannst du ihn nicht denunzieren, nur weil
er sich zu einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Gegend aufgehalten
hat.«
»Mit Denunzieren hat
das nichts zu tun. Es heißt immer, bei einem Verbrechen sei jeder
noch so kleine Hinweis wichtig. Und Gabriel Sartorius war ein guter
Mensch, der einem brutalen Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Ich gehe zur
Polizei.« Sie stand entschlossen auf. »Und Viola nehme ich
mit.«
17
Als Leo am nächsten
Morgen seinen Sohn am Frühstückstisch erblickte, zuckte er
zusammen. »Was ist denn mit dir passiert, Georg?«
Georgs rechtes Auge war
blutunterlaufen, über die Wange zog sich ein blutiger Kratzer.
»Na, sag schon, hast du dich geprügelt? Das kommt vor, ist mir
auch passiert.«
Doch sein Sohn schüttelte
den Kopf und blickte in seine Schüssel mit Grießbrei. »Hab
mich nicht geprügelt. Das war der Scheller, Vati.«
»Wie bitte? Warum
–?«
»Wir hatten Streit. Da
hat er mir eine Ohrfeige verpasst.« Er deutete auf den Kratzer.
»Der ist von seinem Siegelring.«
Leo schwante Übles. Da
er in den letzten Wochen nichts mehr gehört hatte, war er davon
ausgegangen, dass der Waffenstillstand zwischen Georg und dem Lehrer
hielt. Ein Irrtum, wie sich nun herausstellte.
»Hatte es wieder mit
Schellers Sohn zu tun?«, fragte Leo knapp, um sich seine Wut nicht
anmerken zu lassen.
»Nee, der Erich hatte
diesmal nichts damit zu tun. Es war so: Der Scheller hat vor der ganzen
Klasse den Fritz Salomon runtergemacht, und da ist mir so was
rausgerutscht und da –«
»Jetzt mal langsam,
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