Leo Berlin
Stift zur Hand und schaute die Frauen
erwartungsvoll an.
Ellen Cramer räusperte
sich nervös. Auf einmal erschien ihr die ganze Angelegenheit ziemlich
verrückt. Dann berichtete sie kurz, wie seltsam Edel sich in ihrem
Haus verhalten hatte und wie ihr dann mit einiger Verspätung
eingefallen war, dass sie ihn in der Nähe der Sartoriusschen Wohnung
gesehen hatte. Von Malchow schrieb alles mit. Als sie zu Ende gesprochen
hatte, stellte er einige Fragen.
»Wo genau haben Sie
Herrn Edel damals gesehen?«
»An der Ecke
Nussbaumallee und Spandauer Damm«, erklärte Ellen Cramer.
»Ich hatte mir gerade ein Taxi gerufen und wollte einsteigen, da sah
ich diesen schönen Wagen anhalten. Ich war neugierig und habe
gewartet, wer da wohl aussteigt. Da sah ich, dass es Herr Edel war.«
»Hat er Sie auch
bemerkt? Haben Sie miteinander gesprochen?«
»Nein. Wir haben nur
gesellschaftlich miteinander verkehrt, bisher jedenfalls«, setzte
sie ein wenig betreten hinzu. »Es wäre mir unangenehm gewesen,
über die Straße zu rufen. Ich habe mir auch gar nichts dabei
gedacht.«
»Natürlich nicht«,
meinte von Malchow beflissen. »Haben Sie gesehen, wohin er gegangen
ist?«
»Nein, ich bin ins Taxi
gestiegen und nach Hause gefahren. Ich habe überhaupt nicht mehr
daran gedacht, bis er dann gestern bei uns erschien und sich so eigenartig
verhielt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine Verbindung gibt,
aber trotzdem . . . wollte ich sichergehen.«
»Das war richtig, Frau
Cramer.« Von Malchow wandte sich an Viola. »Möchten Sie
die Aussage Ihrer Mutter ergänzen, Fräulein Cramer?«
Viola sah ihn ein wenig
erschreckt an. »Komm, Liebes, erzähle von dem Vorfall in Dahlem«,
sagte Ellen und legte ihr die Hand auf den Arm.
»Ich war vor einigen
Tagen zu einer Soirée im Hause Weber eingeladen.« Sie fuhr
sich mit der Hand über die Stirn. »Es kam mir alles nur wie ein
Missverständnis vor.«
Von Malchow hob die Hand, bemüht,
seine Ungeduld nicht zu zeigen. Im Grunde hatte er Wichtigeres zu tun, als
sich anzuhören, wann diese beiden Damen welchen Bekannten an welcher
Berliner Straßenecke gesehen hatten. »Augenblick, immer der
Reihe nach, bitte. Was kam Ihnen wie ein Missverständnis vor?«
»Ich war mit einem
Freund der Familie dort, Herrn Peter Cornelissen. Herr Edel war ebenfalls
eingeladen. Er kam zu mir und begrüßte mich ganz vertraulich.
Dann erwähnte er etwas von einem Spaziergang am Wannsee, zu dem wir
verabredet seien. Und einem Brief, den er mir geschrieben habe. Ich wusste
von gar nichts, ich habe nie einen Brief von ihm erhalten. Dann griff er
nach meinem Arm, wurde zudringlich. Zum Glück kam Peter dazu. Herr
Edel ist praktisch aus dem Saal geflohen. Ich dachte, er habe sich geirrt,
und es sei ihm einfach peinlich gewesen. Eigenartig war es schon«, fügte
sie nachdenklich hinzu.
Sollte er sich etwa auch noch
mit den Liebesnöten der jungen Dame auseinander setzen? Doch er
bewahrte Haltung. »Das möchte ich meinen, Fräulein Cramer.
Ich bin Ihnen beiden sehr dankbar, dass Sie sich die Mühe gemacht
haben, diese Aussagen zu machen. Natürlich ist Herrn Edels Verhalten
Ihnen gegenüber äußerst ungewöhnlich, gibt aber an
sich noch keinen Anlass für polizeiliche Schritte. Der Tatsache, dass
er sich am fraglichen Tag in der Nähe des Tatorts aufgehalten hat,
werden wir natürlich nachgehen. Sollte er Sie noch einmal belästigen
und womöglich handgreiflich werden, rufen Sie bitte umgehend die
Schutzpolizei.« Er klappte das Notizbuch zu, stand auf und gab Ellen
und Viola die Hand.
Draußen auf dem Flur
sahen die Frauen einander erleichtert an. »War gar nicht so schlimm«,
meinte Viola und atmete tief ein. »Hoffentlich ist die Sache damit
ausgestanden.«
»Komm, Liebes, wir
haben uns einen guten starken Kaffee verdient.«
Als Leo und Robert sich gegen
elf im Büro trafen, war von Malchow nicht da. Leo warf seine
Aktentasche ungehalten auf einen Stuhl. »Wo steckt er?«
»Keine Ahnung«,
meinte Robert achselzuckend. »Ich bin auch gerade erst gekommen.
Vergiss von Malchow mal für einen Moment und erzähl mir genau,
was du gestern Abend gefunden hast.«
Leo berichtete noch einmal
ausführlich von seinem Fund und legte Robert die Liste vor, die er in
einem Umschlag mitgebracht hatte. »Die Abkürzungen habe ich mir
mehr oder weniger zusammengereimt. Es handelt sich
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