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Leo Berlin

Leo Berlin

Titel: Leo Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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Platz an. Er hatte sich bereit erklärt, ihn in seiner Kanzlei
     zu empfangen, obwohl es ihm sichtbar unangenehm war, dass die
     Kriminalpolizei ihn befragen wollte. Nervös wirkte er allerdings
     nicht, sondern gab sich kühl bis in die Fingerspitzen. Er galt als
     ausgezeichneter Wirtschaftsanwalt, wie Robert erfahren hatte, und vertrat
     hauptsächlich Banken und große Firmen. Sein grauer Maßanzug
     und das vorzeitig ergraute Haar verströmten ebenfalls kühle Zurückhaltung.
     Der einzige Makel war der Schmiss, der sich schräg über die
     rechte Wange zog.
    »Nun, was führt
     Sie zu mir?«
    »Ich komme gleich zur
     Sache. Es geht um Ihre Schwester Verena.«
    Ein Schatten huschte über
     Moltkes Gesicht. »Ich pflege keinen Umgang mehr mit ihr.«
    »Das ist mir bereits
     bekannt. Wir haben sie vor einer Weile in der Klinik aufgesucht. Man sagte
     uns dort, dass sie nie Besuch erhält.« Das klang
     vorwurfsvoller, als er beabsichtigt hatte.
    »Warum waren Sie dort?
     Sie sind doch nicht von der Fürsorge«, versetzte Moltke ein
     wenig pikiert. »Ich wüsste nicht, dass die Kriminalpolizei
     kontrolliert, wer kranke Verwandte besucht und wer nicht.«
    »So war es nicht
     gemeint«, versicherte Robert schnell. »Wir waren bei Ihrer
     Schwester, da wir im Mordfall Sartorius ermitteln und herausfanden, dass
     Ihre Schwester ihn näher gekannt hat. Vermutlich hat er sie erstmals
     mit Kokain in Berührung gebracht. Allerdings fanden wir sie nicht
     vernehmungsfähig vor. Jetzt haben wir neue Erkenntnisse, und in
     diesem Zusammenhang wüsste ich gern, ob man in der Vergangenheit
     versucht hat, Sie oder Ihre Schwester zu erpressen.«
    Moltke zündete sich
     gelassen eine Zigarette an und blies das Streichholz aus. »Wie
     kommen Sie darauf?«
    »Uns liegen
     entsprechende Hinweise vor«, entgegnete Robert betont vage, da er es
     mit einem gewieften Juristen zu tun hatte, der unerwünschten Fragen
     geschickt auszuweichen wusste. »Können Sie bestätigen,
     dass Verena Herrn Gabriel Sartorius kannte?«
    »Diesen Wunderheiler?«,
     fragte Moltke spöttisch und inhalierte tief. »Natürlich,
     sie hat ständig von ihm geredet. Sie rannte dauernd hin, um sich mit
     irgendwelchem Hokuspokus behandeln zu lassen. Edelsteine, Pendel,
     Geistheilung, was auch immer. Mich hat das damals schon nicht
     interessiert.«
    »Sie wissen aber, dass
     er ermordet wurde?«
    »Es stand ja in allen
     Zeitungen.«
    Die aalglatte Fassade ging
     Robert allmählich auf die Nerven. »Wie gesagt, uns liegen
     Hinweise vor, dass Sartorius einige Patienten oder deren Familien erpresst
     hat. Oder dass er dies zumindest plante. War das auch bei Ihnen der Fall?«
    »Ich habe den Herrn
     überhaupt nicht gekannt. Bin ihm nie begegnet«, meinte Moltke
     und klopfte die Zigarettenasche in einer eleganten Silberschale ab.
    »Damit ist meine Frage
     nicht beantwortet«, insistierte Robert. »Es wäre ja
     denkbar, dass es einen derartigen Versuch gab, ohne dass Sie wussten, wer
     dahinter steckt.«
    »Wenn Sie es unbedingt
     wissen müssen: Man hat es tatsächlich einmal versucht. Und der
     Erpresser ist damit gegen eine Wand gelaufen«, erklärte Martin
     Moltke befriedigt. »Ich lasse mich nicht erpressen, das habe ich
     meinen Eltern auch gesagt. Sollen die Zeitungen doch darüber
     berichten. Meiner Kanzlei schadet es nicht, wenn meine Schwester sich um
     den Verstand kokst. Das tun heutzutage viele.«
    Robert konnte sich angesichts
     dieser lieblosen Bemerkung nur mühsam beherrschen. »Und was
     haben Ihre Eltern dazu gesagt?«
    »Sie waren nicht
     erfreut, verlassen sich aber gewöhnlich auf meinen Rat. So auch in
     diesem Fall.«
    »Wie genau lief dieser
     Fall denn ab, Herr Moltke?«
    »Vor einiger Zeit
     erhielt ich einen anonymen Brief, den ein Straßenjunge in der
     Kanzlei abgab. Es war kurz nachdem Verena in die Klinik gekommen war. Der
     Brief war auf gutem Papier mit der Maschine getippt und in korrektem
     Deutsch abgefasst. Keine orthographischen Fehler und so weiter.«       
    »Erinnern Sie sich an
     den Wortlaut?«
    »In etwa: Wenn Ihnen
     daran gelegen ist, dass niemand von der misslichen Lage Ihrer Schwester
     erfährt, sollte Ihnen das schon etwas wert sein. Ich denke an einen
     Betrag von 5000 Mark. Überlegen Sie es sich gut, ich melde mich
     wieder bei Ihnen.«
    Wie unverfroren, dachte
     Robert, er hatte sie zum Rauschgiftgenuss verführt, in die Sucht
     getrieben und dann ihre Familie damit zu erpressen versucht.

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