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Leo Berlin

Leo Berlin

Titel: Leo Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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Lindenallee, fuhr geradeaus, immer
     weiter, dann nach links in die Nussbaumallee. Der Wagen hielt vor dem
     Haus, in dem Sartorius gewohnt hatte.
    Wieder wischte er sich die
     Hände an der Hose ab. Er fühlte sich nackt ohne die Handschuhe,
     aber sie gehörten der Vergangenheit an, mit den Handschuhen hatte er
     etwas zerstört, das endgültig verloren war, den alten Max, den
     braven, belächelten Junggesellen, den Mann, der von einem Peter
     Cornelissen auf die Straße gesetzt wurde. Den Mann, der zwar als künstlerischer
     Kopf der Firma galt, aber keine Ahnung von Zahlen hatte, der nicht den
     Geschäftssinn und das Durchsetzungsvermögen seines Vaters besaß.
     Und damit auch nicht dessen Ansehen. Den Mann, dem vor gar nicht langer
     Zeit ein Scharlatan gesagt hatte, er sei unrettbar verloren.
    Er fuhr langsam weiter und
     parkte in einer Nebenstraße. Niemand konnte ihn jetzt noch
     aufhalten. Er spürte, wie ihn die Macht durchflutete, die Macht, die
     er gespürt hatte, als er den Buddha schwang, als er den Seidenschal
     –

 
    18
    »Gehen wir heute
     Nachmittag nicht zu Marie, Tante Ilse?« Georg steckte den Kopf zur Küchentür
     herein.
    Seine Tante, die gerade das
     Geschirr vom Mittagessen spülte, schüttelte den Kopf. »Ich
     habe zu tun. Du bist doch ein großer Junge, möchtest du heute
     allein hingehen?«
    »Ja, sicher. Vielleicht
     kann ich ihr mit den Fingerpuppen durchs Fenster eine Geschichte
     vorspielen.«
    »Gute Idee. Um sechs
     bin ich wieder da. Hier, nimm meinen Schlüssel, du kommst ja sicher
     vor mir zurück.«
    Gut, dass Georg keine Fragen
     gestellt hatte. Sie wollte sich mit ihrem Bekannten Herrn Schneider
     treffen, den sie seit der missglückten Verabredung vor einigen Wochen
     nicht mehr gesehen hatte. Ein Spaziergang, vielleicht eine Tasse Kaffee
     irgendwo im Grünen, sie freute sich schon seit Tagen darauf. Leo
     konnte nichts dagegen haben, wenn Georg ein paar Stunden allein blieb, er
     war doch schon acht. Sie hatte ihr Glück kaum fassen können, als
     Herr Schneider angerufen und um ein erneutes Treffen gebeten hatte. Nach
     der Enttäuschung von damals hatte sie schon damit gerechnet, nie
     wieder von ihm zu hören. Dumm dagestanden hatte sie, als Leo sie an
     jenem Sonntag einfach mit den Kindern sitzen gelassen hatte. Ein bisschen
     Umherlaufen in der Emdener Straße war nicht gerade romantisch, vom
     Gerede der Nachbarn ganz zu schweigen. Nicht dass sie sehr auf Romantik
     aus gewesen wäre, so etwas passte nicht zu ihr, aber ganz so nüchtern
     sollte es dann doch nicht zugehen.
    »Ich geh noch ein
     bisschen Fußball spielen, bevor ich Marie besuche«, rief Georg
     von der Wohnungstür.
    »Bis nachher.«
    Sie sah auf die Uhr. Noch ein
     wenig Zeit, um sich zurechtzumachen. Sie ging in ihr Schlafzimmer und
     setzte sich vor die Frisierkommode, die noch von ihrer Mutter stammte. Sie
     hatte darauf bestanden, einige eigene Möbelstücke mitzubringen,
     als sie zu Leo gezogen war. Ilse bürstete sich die Haare und steckte
     sie im Nacken hoch. Eigentlich war die Frisur nicht mehr modern, die
     jungen Frauen trugen ihr Haar heutzutage viel kürzer, aber sie konnte
     sich mit der Vorstellung nicht anfreunden. Außerdem wirkte Herr
     Schneider sehr seriös, vielleicht missbilligte er sogar diese
     gewagten Kurzhaarfrisuren.
    Ilse zog die Schürze aus
     und betrachtete ihr gelbes Kleid. Die Taille war hoch angesetzt, was allmählich
     ebenfalls aus der Mode kam, aber es war aus gutem Stoff gefertigt und
     hatte hübsche Knöpfe. Sie strich den Rock glatt und drehte sich
     einmal um sich selbst. Gar nicht schlecht. Sie steckte eine
     Bernsteinbrosche an, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte, und suchte
     einen Strohhut mit einer gelben Blume an der Krempe aus. Gut. Sie war
     bereit.
    Sie trat ans Fenster. Noch
     war er nicht zu sehen. Ob sie nach unten gehen sollte?, fragte sie sich
     unsicher. Nein, besser nicht, das könnte aussehen, als ob sie es nötig
     hätte, auf ihn zu warten. Hast du das denn nicht?, meldete sich eine
     verstohlene Stimme in ihr, die sie sofort zum Schweigen brachte.
    Sie hatte ihn bei der
     Geburtstagsfeier einer alten Schulfreundin kennen gelernt, wo er sehr
     gewandt, aber nicht großspurig aufgetreten war. Sie hatte sich
     gewundert, dass er sich überhaupt mit ihr unterhielt, da sie sich
     manchmal ein wenig als spätes Mädchen fühlte, doch an jenem
     Nachmittag war alles anders gewesen. Niemand konnte ihr etwas über
     ihn erzählen,

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