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Léon und Louise: Roman (German Edition)

Léon und Louise: Roman (German Edition)

Titel: Léon und Louise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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ich es wagen, mich Dir zu öffnen, ohne mich zu verlieren, verstehst Du? Selbstverständlich verstehst Du das, Du bist ein kluger Junge, auch wenn Deinem Männerherzen solche weiblichen Dilemmata und Paradoxa fremd sind.
    Ich weiß, Du siehst das alles geradliniger. Du tust, was Du tun musst, und was Du bleiben lassen sollst, lässt Du eben bleiben. Und wenn Du ausnahmsweise etwas tust, was Du nicht tun solltest, so bist Du trotzdem mit Dir im Reinen, weil man als Mann gelegentlich im Leben halt etwas tun muss, was man nicht tun sollte. Dann stehst Du dafür gerade, übernimmst die Verantwortung und siehst zu, dass das Leben weitergeht.
    Übrigens ist es nicht wahr, dass Du mich nie gesehen hast in all den Jahren; ich glaube bestimmt, dass Du mich damals erkannt hast auf der Place Saint-Michel, als Du mich um den Kiosk im Kreis herum verfolgt hast. Ich bin einfach rascher gelaufen als Du – ich war schon immer die Schnellere von uns beiden, nicht wahr? –, bis ich dann Dich verfolgt habe und nicht mehr Du mich. Als Du stehen bliebst und die Place Saint-Michel absuchtest, stand ich direkt hinter Dir; ich hätte Dir die Augen zuhalten und Kuckuck rufen können. Und als Du Dich umgedreht hast, habe ich mich hinter Deinem Rücken mit Dir gedreht. Es war wie in einem Chaplin-Film, die Leute haben gelacht. Nur Du hast nichts gemerkt.
    Jetzt fahre ich also nach Übersee. Ich habe keinen blassen Schimmer, wohin die Reise geht, weiß nicht, ob’s gefährlich wird und wann und ob ich überhaupt zurückkehren werde, und man hat mir auch noch nicht erklärt, was man von mir erwartet; na ja, die Tippmamsell werde ich irgendwo geben müssen, was sonst.
    Letzten Samstag noch bin ich wie gewohnt zur Arbeit gefahren mit meinem Torpedo, der ein bisschen in die Jahre gekommen ist; die Radlager und das Getriebe sind hinüber, die Zylinderkopfdichtung ist wieder mal fällig und die Hinterachse hat sich verschoben. Gleich am Hauptportal hat mich Monsieur Touvier abgefangen, unser Generaldirektor. Er ist der Gott unter den Halbgöttern aus der Belle Étage der Banque de France, niederes Getier wie eine Tippmamsell aus dem Erdgeschoss nimmt er gewöhnlich gar nicht wahr. Diesmal aber hat er mich nicht nur am Arm gefasst, sondern auch sein Titanenhaupt zu mir hinuntergeneigt und mir mit seiner leisen, befehlsgewohnten Stimme ins Ohr gemurmelt:
    »Sie sind Mademoiselle Janvier, nicht wahr? Sie fahren sofort nach Hause und machen sich reisefertig. Nehmen Sie ein Taxi, Ihr Auto lassen Sie stehen.«
    »Jawohl, Monsieur. Jetzt gleich?«
    »Auf der Stelle. Sie haben eine Stunde Zeit. Leichtes Gepäck für eine lange Reise.«
    »Wie lange?«
    »Eine sehr lange Reise. Ihre Wohnung ist bereits gekündigt, um Ihre Möbel kümmern wir uns.«
    »Und mein Auto?«
    »Wir werden Sie entschädigen, machen Sie sich darum keine Gedanken. Jetzt rasch, Sie werden in einer Stunde an der Gare Montparnasse erwartet.«
     
    Das war kein Befehl, sondern einfach eine Feststellung. So bin ich nach Hause zurückgekehrt, habe ein paar Kleider und einige Bücher eingepackt und mich von meinen weltlichen Gütern getrennt. Gerade viel habe ich ja nicht zurückgelassen, ein ordentliches Nussbaumbett mit Rosshaarmatratze und Daunendecke, dazu eine Kommode, einen Ledersessel und ein paar Küchengeräte; hingegen kein gebrochenes Herz, falls Dich das interessiert, und keine treu wartende Seele.
    Wohl habe ich über die Jahre ein paar Romanzen und Affären gehabt, man will sich im Leben schließlich nicht langweilen; leider sind sie immer recht rasch schal und fad geworden. Und mit der Zeit ist mir dann klar geworden, dass ich mich mit mir allein doch weniger langweile als in Gesellschaft eines Herrn, der mir nicht rundum gefällt.
    So bin ich also noch immer ungebunden, wie man so sagt; zweifellos auch deshalb, weil ich durch ein Wunder der Natur nie schwanger geworden bin. Im Übrigen ist es schon erstaunlich, wie leicht man zehn oder zwanzig Jahre in Paris unter vier Millionen Menschen leben kann, ohne jemanden kennenzulernen außer dem Gemüsehändler an der Ecke und dem Schuhmacher, der dir zweimal jährlich neue Absätze an die Schuhe nagelt.
    Und irgendwie, ich weiß nicht, weshalb, mein lieber Léon, hast immer nur Du mir gefallen. Verstehst Du das? Ich nicht. Und was meinst Du: Ob es mit uns beiden geklappt hätte, wenn wir mehr Zeit miteinander gehabt hätten? Mein Kopf sagt Nein, das Herz sagt Ja. Du empfindest genauso, nicht wahr? Ich weiß es.
    Auf dem Weg zum

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