Leonardo und der Fluch des schwarzen Todes (Da Vincis Fälle) (German Edition)
„Vielleicht werde ich Großvater mal fragen, ob er nicht eine davon anschaffen kann“, murmelte er vor sich hin und warf noch einen Blick auf die Ladefläche des Wagens. Dort waren noch zahlreiche andere Kisten in unterschiedlichen Größen. Wie viele Mumien mochte der Arzt da wohl lagern? Es mussten eine ganze Menge sein und angesichts des Wertes, den sie hatten, wunderte es Leonardo, dass Doktor Petronius so verhältnismäßig sorglos mit ihnen durch die Gegend zog. An seiner Stelle hätte ich immer nur ein paar davon mitgenommen und den Rest an einem sicheren Ort aufbewahrt!, dachte er. Oder Doktor Petronius hätte ein paar bewaffnete Söldner mitnehmen müssen, die sie ständig bewachten.
Irgendwie hatte Leonardo das untrügliche Gefühl, dass hier irgendetwas nicht stimmte. Er hatte nur noch nicht erkannt, was es war.
Zusammen mit Carlo ging er nun zu den anderen. Dort war auch sein Großvater. Die Leute von Vinci standen in sicherer Entfernung von der Scheune und warteten gebannt, was geschehen würde.
„Solange kann es doch wohl nicht dauern, ein bisschen Salbe auf ein paar Geschwüre aufzutragen!“, meldete sich der Schlachter Alessio zu Wort. „Wenn ich so langsam arbeiten würde, dann wären die Weihnachtsbraten erst zu Ostern fertig!“
Schließlich kam Doktor Petronius wieder aus der Scheune zurück.
Mit gespannter Erwartung sah auch Leonardo den Arzt an. Gemesse-nen Schrittes ging dieser auf die Menschen von Vinci zu. Er schien es überhaupt nicht eilig zu haben. Leonardo hatte den Eindruck, dass er die Spannung bei den Bewohnern von Vinci damit nur erhöhen wollte. Er weiß genau, wie er das machen muss!, dachte Leonardo.
Wie ein Gaukler, der sein Programm abzieht!
„Morgen früh wird Alberto gesund sein“, erklärte Doktor Petronius. „Und jeder mag sich davon mit eigenen Augen überzeugen!“
5. Kapitel
Das Wundermittel
Doktor Petronius blieb über Nacht in Vinci. Allerdings quartierte er sich nicht im Gasthaus von Giannas Eltern ein, sondern zog es vor in seinem Wagen zu schlafen. Er befürchtete wohl, dass man ihm seine Mumien stehlen könnte. Er wechselte sich mit Edoardo bei der Bewachung ab.
Leonardo ging spät abends, als es schon dunkel war, noch aus dem Haus. Sein Großvater schlief schon und sein Vater Ser Piero übernachtete ja ohnehin in seinem eigenen Haus am anderen Ende des Dorfes, wo er auch sein Notar-Büro unterhielt.
Edoardo ging auf und ab. Der Wagen stand am Rand des Dorfplat-zes. Das Mondlicht beschien den Wagen und eine brennende Öllampe zog einen Schwarm von Mücken an.
Als er Leonardo bemerkte, winkte er ihm zu.
Leonardo näherte sich.
„Ist schon etwas von eurer Wundersalbe verkauft worden?“, fragte Leonardo.
„Die meisten warten ab, ob sie auch wirkt“, sagte Edoardo. „Aber sprich nicht so laut. Doktor Petronius schläft.“ Edoardo verschränkte die Arme vor der Brust und grinste. „Na, willst du dir jetzt doch eine ganze Mumie kaufen, um sie auszuwickeln? Ehrlich gesagt, dazu ist sie viel zu wertvoll.“
„Was ist der Heilige Ibis für ein Vogel?“, fragte Leonardo.
„Ich habe keine Ahnung“, erwiderte Edoardo. „Und ich lasse dich auch nicht noch mal in eine der Kisten schauen. Die Mumien sind alle sorgfältig weggepackt und außerdem würde es Doktor Petronius nicht gerne sehen… Damit das also gleich klar ist.“
„Keine Sorge“, gab Leonardo zurück. „Ich hatte auch nicht zu hoffen gewagt, noch einmal einen Blick auf diese Mumie werfen zu dürfen. Trotzdem interessiert mich dieser Vogel. Er hat einen langen schmalen Schnabel. Ich nehme an, dass er sich von Fischen ernährte oder vielleicht irgendwelches Kleingetier aus dem Sumpf heraushol-te. Aber weshalb hat man denn solche Vögel so behandelt, dass sie zu Mumien wurden? Hat das vielleicht etwas mit einem Mann zu tun, der halb Vogel und halb Mensch ist?“
„Das hat es!“, meldete sich nun eine Stimme aus dem Wagen zu Wort.
Das war Doktor Petronius.
Etwas Umständlich kletterte er aus dem Wagen heraus. Er scheuchte ein paar der Mücken fort, die von der Öllampe angezogen worden waren. „Ich habe schon geschlafen, aber euer Gespräch war leider unüberhörbar!“, knurrte der Arzt. „Dass du etwas von dem Mann mit dem Vogelkopf weißt, ist verwunderlich…“
Leonardo berichtete davon, dass er dieses Bild auf einem Papyrus in der Sammlung der Medicis gesehen hatte.
„Der Junge fantasiert doch!“, meinte Edoardo. „Cosimo de’ Medici würde doch niemals
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