Leopardenblut (German Edition)
Worte.
Sascha versuchte nicht zu schlingen, sondern den Keks mit langsamen Bissen zu essen. Sie musste unbedingt etwas Schokolade in ihre Wohnung schmuggeln. Endlich hatte sie etwas einigermaßen Ungefährliches gefunden, um ihre Sinne zu befriedigen. Seit sie sich erinnern konnte, und wahrscheinlich auch schon davor, war ihr Leben voller Heimlichkeiten gewesen, da fiel eine weitere Sünde nicht ins Gewicht.
Sie hatten sich gerade hingesetzt, als zwei kleine Leoparden in den Raum rasten. Mit großen Augen sah Sascha zu, wie die beiden über den glänzenden Holzboden schlitterten, bevor der Teppich sie aufhielt. Lange, dünne Kratzer markierten ihren Weg.
„Roman! Julian!“ Tamsyn kam hinter dem Tresen hervor und zog die beiden Jungen am Nackenfell hoch. „Was macht ihr hier?“ Zwei schuldbewusste Leoparden schauten sie an. Fasziniert lauschte Sascha dem kläglichen Miauen aus den kleinen Kehlen.
Tamsyn lachte. „Ihr Charmeure. Ihr wisst doch genau, dass ihr im Haus nicht rennen sollt. Diese Woche mussten schon zwei Vasen dran glauben.“
Die Jungen wanden sich.
„Hier.“ Tamsyn kam herüber und ließ sie auf den Tisch fallen. „Erklärt das mal eurem Onkel Lucas.“
Die Jungen legten ihre Köpfe auf die Pfoten und sahen zu Lucas hoch, als erwarteten sie sein Urteil. Sascha hätte nur zu gerne mit den Fingern über den seidenweichen Pelz des Leoparden gestrichen, der ihr am nächsten saß. Sie waren so schön, ihre lebendigen grüngoldenen Augen hatten sie verzaubert.
Fast wäre sie aufgesprungen, als Lucas neben ihr knurrte. Es war ein tiefes, wildes Grollen, obwohl es aus einer menschlichen Kehle kam. Die Jungen stellten sich auf ihre Pfoten und fauchten zurück. Lucas lachte. „Hören sie sich nicht richtig gefährlich an?“ Er sah Sascha auffordernd an.
Sie konnte nicht widerstehen. „Ungeheuer wild.“
Einer der Jungen schlitterte zu ihr herüber, bis ihre Gesichter sich fast berührten. Fasziniert sah Sascha in seine Augen. Dann öffnete er das Maul und brüllte sein Babygebrüll. Gelächter stieg in ihrer Kehle auf. Wie konnte man bei solchem Übermut ungerührt bleiben? Doch als Mediale durfte sie nicht lachen. Aber sie würde wenigstens den anderen Impuls nicht unterdrücken. Vielleicht bekam sie nie wieder so eine Gelegenheit.
Sie streckte ihre Hand aus und griff wie Tamsyn in das Nackenfell des jungen Leoparden. Sein Fell war weich, der Körper ganz warm. Das Junge wand sich und knurrte, schlug mit eingezogenen Krallen nach ihr, und sie begriff, dass er mit ihr spielen wollte. In diesem Augenblick sprang das zweite Junge auf ihren Schoß und kletterte auf ihr herum.
Verwirrt sah sie Lucas an, der sich offenbar amüsierte. „Ich kann dir nicht helfen, Schätzchen.“
Sie sah ihre beiden kleinen Spielkameraden mit zusammengekniffenen Augen an. „Ich bin eine Mediale. Ich kann euch in Ratten verwandeln.“ Die Jungen hörten auf, sich zu bewegen. Sie packte auch den zweiten im Nacken, setzte beide wieder vor sich auf den Tisch und beugte sich zu ihnen hinunter. „Ihr müsst mit uns sehr vorsichtig umgehen.“ Es war eine sanfte, ernst gemeinte Warnung. „Wir wissen nicht, wie man nett ist.“
Eines der Jungen tapste auf seinen kleinen Pfoten zu ihr hin und leckte schnell über ihre Nasenspitze. Verblüfft schrie sie auf: „Was hat das zu bedeuten?“
„Das heißt, dass er Sie mag.“ Lucas zog an ihrem Zopf. „Aber das ist Ihnen egal, nicht wahr?“
„Ja.“ Sie wünschte, er würde aufhören, sie anzufassen. Nicht etwa, weil sie es nicht mochte, sondern weil es ihr viel zu gut gefiel. Es verstärkte ihre Sehnsucht nach Dingen, die sie niemals haben konnte. Und wenn man etwas zu lange entbehrte, begann man allmählich zu verhungern. Es begann zu schmerzen.
4
„Hab ich euch!“ Tamsyn nahm die beiden Jungen auf den Arm. Sie zwickten sie spielerisch in die bloße Haut. „Ich liebe euch ja auch, Kinder. Aber Onkel Lucas und eure neue Freundin müssen jetzt essen, also bleibt ihr jetzt auf dem Boden.“ Sie knuddelte die beiden noch einmal und setzte sie dann ab.
Die Jungen flitzten unter den Tisch und einer rollte sich auf Saschas Kunstlederstiefeln zusammen. Die Wärme trieb ihr Tränen in die Augen. Um ihre Reaktion zu verbergen, starrte sie auf den Tisch und versuchte ihre Aufmerksamkeit darauf zu richten, was Lucas mit ihrem Zopf anstellte.
Er ließ seine Finger immer wieder auf und ab gleiten, als spürte er ihr Haar gerne an den Fingerspitzen. Die sanfte,
Weitere Kostenlose Bücher