Leopardenblut (German Edition)
ihr kurz zu und sagte dann: „Warum sollten nicht auch Mediale etwas anderes sein können? Wer sollte es ihnen verbieten?“
Erst als Lucas wieder auf der anderen Seite des Platzes war, flüsterte Sascha rau: „Ihre Natur“, und enthüllte damit das bestgehütete Geheimnis ihrer Rasse. Wie bei allen Medialen hing jeder ihrer Atemzüge vom Medialnet ab. Wenn sie länger als ein oder zwei Minuten davon getrennt war, würde sie einen elenden Tod sterben. Und wenn ihr Defekt entdeckt werden würde, würden sie die Rehabilitationsmaßnahmen zu einer lebenden Toten machen. Ihre einzige Überlebenschance war, medialer als die Medialen zu werde n … unzerbrechlich.
Heute Morgen war sie mit der festen Absicht zu Nikita gegangen, ihr alles zu sagen. Völlig verwirrt und blind vor Wut über das Schicksal, das ihr erst diese Herrlichkeit gezeigt hatte, um sie ihr dann zu verbieten, hatte sie sich selbst eingeredet, dass sie durch den Verrat der DarkRiver-Leoparden in Nikitas Achtung steigen würde und endlich die Tochter wäre, die sich ihre Mutter immer gewünscht hatte.
Aber als sie dann den Mund geöffnet hatte, waren nichts als Lügen herausgekommen. Und alle hatten nur dazu gedient, die Gestaltwandler und Lucas zu schützen. Sie waren aus einem Teil von ihr aufgestiegen, den sie selbst noch nie vorher bemerkt hatte, einem leuchtend hellen, festen Band unbedingter Loyalität und äußerster Entschlossenheit. Dieser Teil ließ es nicht zu, dass sie etwas tat, was dem Panther schadete, der sie geküsst hatte, und gleichzeitig sprengte diese Seite von ihr das Glashaus ihrer Existenz in unzählige Stücke.
Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie erkannt, dass ihr etwas noch wichtiger war als das Gefühl der Zugehörigkeit. Einen Augenblick wenigstens, oder auch nur eine Sekunde lang, wollte sie geliebt werden.
Für eine Mediale war das ein sinnloser, unerfüllbarer Traum. Er würde niemals Wirklichkeit werden, aber sie konnte zumindest der Rasse helfen, die wusste, wie man liebte. Vielleicht wäre das genug, um das Verlangen in ihr zu stillen. Vielleicht.
Lucas gestattete Sascha auf Distanz zu bleiben, während sie die Messungen abschlossen, aber er würde keinen Rückzug dulden. Er war noch nie gut im Befolgen von Anordnungen gewesen.
„Nicht“, hatte sie gesagt, als er sie berühren wollte. Nicht etwa weil sie eine der unberührbaren Medialen war, sondern weil sie mehr als das war – eben weil sie fühlte. Wenn ihn nicht schon ihr Kuss davon überzeugt hätte, hätte er es spätestens nach ihrem Geständnis gewusst. Er hatte ihr nicht vergeben, dass sie den Verrat in Erwägung gezogen hatte, aber deswegen würde er sie noch lange nicht gehen lassen.
Er konnte es nicht.
Sie war sein. Die Vorstellung, dass sie fortging, konnte er einfach nicht ertragen. Die Wut hatte seine Scheuklappen abgerissen und die Wahrheit hatte ihn wie ein Schlag ins Gesicht getroffen. Er reagierte auf jeden Fall genauso stark auf Sascha wie sie auf ihn – körperlich, geistig und sexuell.
Sie wusste nicht, dass es für ihn schwierig war, sich von jemandem berühren zu lassen, der nicht zum Rudel gehörte, denn er hatte sehr darauf geachtet, dass ihr flinker Verstand es nicht herausfand. Die Sache mit den Körperprivilegien war kein Scherz gewesen. Berührungen waren für ihn zwar wichtiger und einfacher als für Mediale, aber intime Zärtlichkeiten tauschte er nur mit den Seinen aus. Dennoch war er mit Sascha vom ersten Augenblick an so spielerisch vertraut gewesen, als hätte sie seine Urinstinkte geweckt. Nie hatte er sie wie eine Feindin behandelt.
Etwas in ihm wehrte sich immer noch gegen die Erkenntnis, wie viel Sascha ihm bedeutete. Es war jener Teil, den man gefoltert, gebrochen und fast zerstört hatte. Er wollte sich nicht öffnen, diese Verletzlichkeit nicht zulassen, die noch mehr Schmerz hervorrufen konnte. Paradoxerweise war es jedoch gerade dieser Teil in ihm, der im Grunde verstand, was diese Mediale für ihn war, und der sie nicht gehen lassen konnte.
Doch eines war ganz sicher – er würde sie festhalten.
„Hast du schon zu Mittag gegessen?“, fragte er ungefähr um halb zwei, als sie den Bauplatz verließen.
Sie ging weiter zu ihrem etwas abseits abgestellten Wagen. „Es geht mir gut.“
„Das ist keine Antwort.“ Er war in diesem Spiel genauso gut wie seine Mediale.
„Ich habe einen Energieriegel im Wagen.“ Sie wollte die Tür des schnittigen Gefährts öffnen.
Er hielt sie auf, indem er einfach seine
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