Leopardenblut (German Edition)
hatte werfen können. Doch ihre Entdeckungen hatten sie so erschreckt, dass sie nach Gehirnen Ausschau gehalten hatte, die möglicherweise wussten, wie man dem Medialnet entfliehen und überleben konnte.
Sie hatte niemanden gefunden.
Heute wollte sie ein Mitglied des Rats beschatten. Wenn man sie erwischte, wäre das zwangsläufig ihr Todesurteil. Es würde nicht einfach sein, trotz der Tatsache, dass nicht alle Ratsmitglieder Kardinalmediale waren.
Kardinalmediale interessierten sich häufig nicht besonders für Politik, weil sie sich ausschließlich in ihrem Verstand aufhielten. Andererseits zeigten einige Nicht-Kardinale außerordentliche Verteidigungs- und Angriffsstrategien, die sie ebenso gefährlich machten wie die gut ausgebildeten Kardinalen. Jeder im Rat gehörte in diese tödliche Kategorie.
Sie atmete tief ein, versetzte die Kommunikationskonsole in den Ruhezustand und setzte sich im Schneidersitz auf ihr Bett. Einsamkeit hüllte sie schweigend ein. Nachdem sie so viel Zeit mit den Gestaltwandlern verbracht hatte, fühlte sie sich verloren ohne die Berührungen, das Lachen und den Kontakt zu ihnen.
Am meisten vermisste sie Lucas Hunter.
Etwas flammte in ihrem Kopf auf und sie fühlte Fell an ihrer Wange, hörte das Flüstern der Bäume, spürte den Wind in der Nase. Dann war es vorbei. Hatten sich ihre Sinne an etwas erinnert ode r … ?
Sie schüttelte den Kopf. Sie durfte sich jetzt nicht ablenken lassen. Ihr Panther brauchte sie. Alle anderen waren ebenfalls auf sie angewiesen. Das Leben einer Frau hing davon a b … und sie selbst glaubte nicht mehr so fest an das Gute in ihrem Volk.
Sie schloss die Augen und begab sich in ihren Verstand. Zunächst schlich sie um ihre eigenen Abwehrschilde herum, hinterließ aber ein Abbild ihres Bewusstseins, um den Netkopf über ihre Anwesenheit in die Irre zu führen. Sie hatte Jahre gebraucht, bis sie diese List perfekt beherrschte.
Dann glitt sie in den Schatten ihres eigenen Lichts. Das unendliche Feld der Sterne breitete sich in alle Richtungen aus. Einige sah man nur schwach, das waren Angehörige der unteren Medialenränge, und andere leuchteten so hell wie kleine Sonnen, das waren die Kardinalmedialen. Und wieder wunderte sie sich, wie sehr sich ihr Licht davon unterschied.
In der Pubertät hatte es angefangen und zum Glück war sie damals schon gut genug im Aufbauen der Schutzschilde gewesen, um sich eine Maske zuzulegen. Im Medialnet schien ihr Stern genauso hell wie der der anderen Kardinalmedialen. Nur sie selbst wusste, wie er tatsächlich aussah – ein glitzernder Regenbogen, der fröhlich in alle Richtungen strömte und dann wieder zu ihr zurückkehrte. Wenn sie ihm keine Grenzen gesetzt hätte, hätte er sicher schon im ganzen Medialnet seine Spuren hinterlassen.
Sie wandte sich von der verborgenen Schönheit ihres Verstandes ab und hielt Ausschau nach ihren Zielobjekten.
Nikitas Stern war leicht zu finden, denn sie war mit Sascha durch die Energiefelder ihrer Familienbindungen verbunden. Sascha wollte auf keinen Fall ihre Mutter beschatten. Nikitas Verstand war zu sehr auf sie eingestellt und außerdem würde sie es wahrscheinlich nicht ertragen, wenn sie herausfände, dass ihre Mutter zu jenen gehörte, die einen Mörder schützten.
So etwas sollte keinem Kind zugemutet werden.
Im Rat saßen noch sechs weitere Personen. Die ungerade Anzahl sollte sicherstellen, dass keine Pattsituationen auftraten. Marshall Hyde war der kaltblütigste Mann, den sie je getroffen hatte. Sein Stern im Medialnet war ein Feuerrad scharfer Klingen. Er war ein Kardinalmedialer und hatte an seinen Talenten mehr als sechzig Jahre lang feilen können.
Tatiana Rika-Smythes Stern hatte das sanfteste Leuchten. Sie erreichte auf der Skala nur eine acht Komma sieben, aber das täuschte. Niemand konnte so jung in den Rat gelangen, wenn er nicht die Rücksichtslosigkeit besaß, die ein Markenzeichen der Medialen war.
Dann gab es noch Enrique. Ein kalter Schauer lief über ihre Seele. Ihre letzten Begegnungen waren zu persönlich gewesen, um sie einfach der vermuteten Verbindung mit Nikita zuzuschreiben. Sie konnte nicht ausschließen, dass er ihr eine Falle gestellt hatte. Sie würde sich nicht mal in die Nähe seines Sterns wagen.
Ming LeBon war ebenfalls ein Kardinalmedialer. Er war nicht ganz so erfahren wie Marshall, hatte aber immerhin fast dreißig Jahre länger als Sascha Zeit gehabt, seine Fähigkeiten zu schulen. Gerüchten zufolge war der geistige
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