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Lerchenherzen

Lerchenherzen

Titel: Lerchenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Skjelbred
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Fliegeralarms erfüllte sie noch immer mit dem gleichen schleichenden Gefühl von Angst wie in den ersten Wochen des Krieges.
    Hans war im letzten Winter an der Ostfront, wo eine russische Gewehrkugel den Weg zu seinem rechten Knie fand, es zerschmetterte und ihn dann in eine Hölle von Schmerzen schickte, wobei ihn das gleichzeitig aus einer anderen, erheblich schlimmeren befreite. Denn während seine Kriegskameraden mit dem fatalen Feldzug gegen Moskaubegannen, kommt er bald zur Erholung nach Hause nach Berlin. Er wird zum Offizier befördert und mit steifem Knie, aber ansonsten gut in Form, nach Oslo geschickt, wo er im Büro sitzen und versuchen soll, dieses halsstarrige Volk, das sich einfach seiner Wehrmacht nicht beugen will, zur Räson zu bringen.
    In den ersten Wochen wohnt er in dem Hotel, in dem Borgny arbeitet, und ist schon gleich am ersten Tag beim Frühstück von ihrem seidigen Haar bezaubert. Es erinnert ihn an die braungoldenen seidenen Quasten im Haus seiner Großeltern in Berlin. Er bekommt eine unbändige Lust, es anzufassen, aber natürlich tut er das nicht. Er lächelt lediglich sein freundliches Lächeln und erhält von ihr ein kurzes schüchternes zurück.
    Ich weiß nicht, wie es dazu kam, daß sie miteinander verkehrten oder wie es ihnen miteinander erging. Anfangs hatten sie keine gemeinsame Sprache, aber nach und nach schnappt er einige norwegische Wörter auf, die er ihr am Frühstückstisch serviert, als Dank für den Kaffee, den sie ihm serviert. Er strengt sich so sehr an, um sich verständlich zu machen, daß sie nicht anders kann als zu lachen. Und sie entdeckt, wie gut es tut zu lachen und wie lange es her ist, seit sie es zuletzt getan hat.
    Borgny ist in diesen Jahren so einsam gewesen. Sie ist nun mal ein Mensch, dem es schwerfällt,um Freundlichkeit zu bitten, und so ist auch nur selten jemand freundlich zu ihr. Ihr Leben verläuft so einförmig, daß nicht einmal der Krieg es nennenswert aufstört. An jedem Tag kommt sie in das kleine Hotel zur Arbeit und wäscht, serviert und räumt auf, so vergehen die Stunden, bis sie nach Hause geht, in ihr ungemütliches möbliertes Zimmer, wo das Grammophon mit der Kurbel ihre einzige Gesellschaft bildet.
    Nur selten einmal hat Lea, das jüdische Mädchen, mit dem sie in der Schicht zusammenarbeitet, Zeit, um mit ihr nach Hause zu kommen und eine neugekaufte Platte anzuhören. Denn Lea hat eine so große Familie und so viele Freunde. Borgny ist für sie zu schweigsam. Aber wenn Lea nichts anderes zu tun hat, dann kommt sie hereingewirbelt in das dunkle Zimmer, oftmals mit dem kleinen Bruder Simon auf den Fersen, und stellt Borgnys zurückgezogenes Leben für eine Stunde auf den Kopf, ehe sie weiterwirbelt, den Bruder im Schlepptau.
    Manchmal kommt auch ein Brief von Ragnhild, mit dem hoffnungsvollen Bescheid, etwas Kleines sei unterwegs. Aber darauf folgt regelmäßig der bedrückte Bericht, es sei auch dieses Mal schiefgegangen. Borgny bedauert Ragnhild jedesmal sehr. Sie setzt sich hin und schreibt tröstende Briefe, du wirst sehen, beim nächsten Mal, und du bist ja so jung, und bald hast du ein Dutzend voll,warte es nur ab. Aber wie die Jahre vergehen, glauben sie alle beide weniger und weniger daran.
    Als der Krieg ausbricht, bekommen die Briefe aus Ås einen anderen Inhalt. Sie sind voller Sorge um Lars, der nicht vor Kriegsanfang nach Hause gekommen war und nun bestimmt in England gelandet und in alliierte Dienste eingetreten ist. Das wird eine sechs Jahre lange Unterbrechung in Ragnhilds endloser Reihe von Fehlgeburten sein.
    Nein, viele Freuden, viel Wärme gibt es nicht in Borgnys Leben in diesen Jahren. Deshalb trifft sie das lächelnde Interesse des jungen Deutschen wie ein Sonnenstrahl durch eine geschlossene, graue Wolkendecke. Zögernd nimmt sie seine Einladung ins Kino an und bittet ihn hin und wieder, mit auf ihr Zimmer zu kommen, um Platten anzuhören. Aber er geht jedes Mal brav nach Hause, nachdem er eine Tasse des schrecklichen Ersatzkaffees getrunken hat. Er schließt sie ganz rasch in die Arme und läßt ihr weiches Haar durch die Finger gleiten, ehe er geht. Sie fühlt die Wärme seiner Wange noch lange, nachdem sie zu Bett gegangen ist.
    Das Mißtrauen und die Abneigung der Menschen ringsum, nimmt sie sie nicht wahr? Ich glaube nicht, daß sie das will oder vermag. Sie haben sich all die Jahre nur so wenig um sie gekümmert, warum sollte das jetzt anders sein? Aber daß sich auch Lea von ihr zurückzieht, das tut

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