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Lesereise Kulinarium - Italien

Lesereise Kulinarium - Italien

Titel: Lesereise Kulinarium - Italien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothea Loecker , Alexander Potyka
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ligurischen Küste etwa hundert Bäume. Das schonendste Ernteverfahren für die Früchte besteht immer noch darin, sie von Hand zu ernten. Meistens werden Mitte oder Ende Oktober unter den Bäumen große Netze gespannt, in die dann die reifen Früchte nach windigen Nächten fallen. Von den landwirtschaftlichen Kooperativen werden die Netze in rosafarbenen Ballen verkauft. Sie unter den Bäumen aufzuspannen, verlangt Übung und Geschick. Traditionell ist es Frauenarbeit, die Netze entsprechend dem Verlauf der Bäume zusammenzunähen.
    Manchmal werden die reifen Früchte auch mit kleinen Rechen abgestreift. Allein in Italien sind die Erntemethoden je nach Region verschieden. Auf den weiteren Anbauflächen Westliguriens oder der Toskana werden bei der bacchiatura die Zweige mit langen Stangen geschüttelt. Dieses Abschlagen erfordert allerdings Kraft und besondere Geschicklichkeit, weil dabei auch die jungen Triebe beschädigt werden können.
    Auf die Erde gefallene Früchte werden von seriösen Anbauern nicht mehr verwendet oder als minderwertig klassifiziert, weil die Früchte zu viel Säure enthalten. Von kleineren Erntegefäßen wird die Tagesernte schließlich in große Jutesäcke umgefüllt und in die Ölmühle transportiert. Auf den unzugänglichen Anbauflächen Liguriens legt man dieses erste Teilstück häufig auch zu Fuß zurück. Im Idealfall wird die Ernte noch am gleichen Tag in die Ölmühle gebracht. Längere Lagerzeit zwischen Ernte und Verarbeitung – länger als achtundvierzig Stunden – schadet den Früchten. Ein durchschnittlicher Baum trägt etwa zwanzig Kilo Früchte, aus denen etwa drei bis vier Liter Öl entstehen. Die mühsame Ernte macht über die Hälfte des Verkaufspreises von Olivenöl aus.
    Noch vor Erntebeginn vereinbaren die meisten Anbauer ihren appuntamento , den Termin in der Ölmühle. Für einen Olivenanbauer ist das etwa so, als würde er zur Premiere in die Scala gehen. In der Ölmühle werden die Oliven zuerst gewogen, gewaschen, von den Blättern befreit und schließlich geschleusst und gepresst. Romantisch sehen die heute üblichen Endlosmühlen, die überdimensionalen Autowaschanlagen gleichen, nicht mehr aus und sie verursachen darüber hinaus einen Höllenlärm. Natürlich werden die eigenen Oliven nie mit anderen vermischt. Schließlich ist es ein besonderes Gefühl, das eigene Öl am Ende des Pressvorgangs wie grünes Gold aus den großen Trichtern laufen zu sehen. Der Pressvorgang verläuft genauso, wie er früher durch die großen Mahlsteine vollzogen wurde. Das Öl ist in Schale und Fruchtfleisch enthalten. Beides muss zerquetscht werden, um das wertvolle Öl freizusetzen. Die Frucht wird gemahlen, der Stein zerbröckelt bei diesem Prozess. Danach wird das Öl dekantiert, um es vom bitteren Fruchtwasser und den Fruchtfleischresten zu trennen. Im Gegensatz zu anderen Pflanzenölen muss das Olivenöl nicht mehr raffiniert werden.
    Schon vor tausend Jahren wurde nach demselben System gepresst, nur wurde die hydraulische Presse damals von Menschen und später von Tieren bewegt. Alle Oliven machen zunächst einen einzigen kalten Pressvorgang durch. Erst danach wird Charge für Charge analysiert. Entscheidend für die Güteklasse sind Geschmack und Geruch des Öls. Ein perfekter Recyclingprozess findet bei der Pressung des Öls statt: Was danach übrig bleibt, wird als Futter- oder Düngemittel verwendet.
    Durch die extrem schmalen und schwierig zu erreichenden Anbauflächen der ligurischen Levanteküste ist der Großteil des Öls für den eigenen Bedarf bestimmt. Erst im Westen Liguriens, in der Gegend um Imperia, ist der größte Teil des Öls für den Verkauf vorgesehen. Auch der Hafen hat den internationalen Handel begünstigt. Seit vielen Generationen baut die Familie von Brunello Rambaldi in der Nähe von Imperia Oliven an. Über den Wipfeln seiner über hundertjährigen Olivenbäume blickt Brunello Rambaldi in die Vergangenheit zurück.
    »Das ganze Land hier hat früher meinem Vater gehört. Er besaß allein neunhundert Olivenbäume, mein Bruder und ich haben sie dann aufgeteilt. Während der Ernte wurden fünfzehn, achtzehn Olivenpflückerinnen beschäftigt. Aber natürlich hat sich diese Bewirtschaftung nicht wirklich gelohnt. Die Oliven wurden von der Erde aufgelesen, aber wenn sie schon zu lange lagen, war das Ergebnis minderwertiges Öl zu einem schlechteren Preis. Dann hat man die Netze erfunden, die man zuerst auf der Erde ausgebreitet hat. Heute sind die

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