Lesereise Kulinarium - Italien
Er hat sie für mich zu Demonstrationszwecken mitgebracht. Damit ich nicht versehentlich Steinpilze einsammle … Potthässlich sieht die Knolle aus, mit runzliger Rinde, winzig kleinen Warzen und violettem Fleisch, von weißen Äderchen durchzogen. Und obendrein ist sie ein Schmarotzer, der an den Wurzeln von Steineichen und Kastanien wächst? Ihhh! Franco lässt mich an dem Pilz schnuppern. Ich schließe die Augen, atme den Duft tief in mich hinein. Riecht ein bisschen nach Erde und ziemlich stark nach Knoblauch.
Zehn Trüffelsorten wachsen in Umbrien, acht schwarze und zwei weiße. Doch das größte Geschäft dreht sich um drei von ihnen, die wertvolle innen und außen dunkle Wintertrüffel, die vorwiegend rund um Norcia wächst und deswegen auch tartufo nero di Norcia heißt, die nicht ganz so wertvolle, weil häufiger vorkommende schwarze Sommertrüffel oder scorzone und die weiße Wintertrüffel, tuber magnatum, der Topstar unter den Knollen. Sie gedeiht vor allem bei Gubbio und Orvieto tiefer unter der Erde als die anderen Arten und ist somit auch schwerer zu entdecken. Ende Oktober bis Ende November herrscht Hochkonjunktur, in den Trüffelstädten wetteifern die Köche um das beste Trüffelgericht, das mit der Goldenen Trüffel ausgezeichnet wird.
Der tartufaio macht sich also zeitig am Morgen mit seinem Hund in den Wald auf und sucht seine Plätze ab – Trüffeln wachsen meist jahrelang an den gleichen Orten. Der Beruf des Trüffelsuchers ist alt und angesehen und erfordert vorzügliche Kenntnisse der heimischen Wälder und Fundorte. Es gibt Experten, die nach jahrelanger Übung eine so feine Nase haben, dass sie den charakteristischen Geruch mit ihrem Riechorgan wahrnehmen. Jeder tartufaio hat seine eigenen Plätze, hütet sie wie ein Geheimnis und verrät sie höchstens seinen Nachkommen – und dann auch nur im Testament.
Der begehrte Pilz wächst wenige Zentimeter unter der Erde, bevorzugt in Höhen von zweihundertfünfzig bis tausend Metern auf kalkhaltigen Böden mit dicker Humusschicht. Nur unter bestimmten Baumarten ist er zu finden, von diesen holt er sich organische Substanzen, da er wie alle Pilze selbst kein Chlorophyll erzeugt. Je nach Baum ändert er seine Beschaffenheit. Trüffeln lieben Eichen, darunter werden sie braun mit starkem Aroma, die wertvollsten entwickeln unter Linden eine goldgelbe Farbe und ein Superaroma. Haselnuss- bis orangengroß werden sie normalerweise und bilden einen fast grasfreien Ring. Sie dürfen nur zwischen dem 1. Dezember und dem 15. März gesammelt werden, und nur tagsüber. Bei nächtlicher Trüffelernte wäre die Gefahr zu groß, die Wurzeln der Pflanzen zu beschädigen, an denen das wertvolle Gut wächst.
Die Hunde erschnüffeln das starke Aroma der Knollen, graben sie aus und übergeben sie gegen Belohnung an ihr Herrchen. Wer jetzt denkt, da nehme ich mir doch meinen Dackel und mache mich auf den Weg, der sei gewarnt. Allerorts in den Wäldern stehen Schilder »Raccolta dei tartufi riservata!«, denn auf die Suche nach Trüffeln dürfen sich nur Sucher mit Berechtigungschein machen, über zehntausend Berechtigungsscheine sind im Moment im Umlauf. Wer unbedingt selbst mal das umbrische Unterholz durchschnüffeln möchte, kann eine Tour buchen, die viele Agriturismo-Betriebe und der Fremdenverkehrsverein anbieten.
Berlusconi, der zuerst noch kreuz und quer durch die Bäume gesprungen war, scheint auf einmal etwas gewittert zu haben, auch Franco wird aufmerksam. »Vai, Berlusconi«, feuert er ihn an. Berlusconi schnuppert konzentriert auf dem Waldboden herum und will dann mit dem Graben beginnen. »Vieni qua«, beordert ihn Franco zurück und belohnt den folgsamen Hund mit einem trockenen Hundekeks. Nicht gerade ein fürstlicher Lohn für den wertvollen Fund …
Franco zieht nun aus seinem Rucksack eine Art Spaten, eine Trüffelschaufel, die vanghetto heißt. Ganz vorsichtig wühlt er die Erde um den Fund noch etwas auf und schält dann die Knolle behutsam mit den Händen aus dem Boden.
Ein wenig Trüffelkunde: Schon die alten Griechen speisten gerne Trüffeln, die Römer schätzten vor allem ihre angeblich aphrodisierende Wirkung, allerdings bevorzugten sie afrikanische Knollen. Von Apicius, einem römischen Koch und Verfasser des bedeutendsten Kochbuchs in lateinischer Sprache, sind Trüffelrezepte überliefert. Im Mittelalter geriet der Edelpilz ein wenig in Vergessenheit, Trüffeln galten als sündiges Lebensmittel, das man höchstens noch als
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