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Lesereise Schottland

Lesereise Schottland

Titel: Lesereise Schottland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Sotscheck
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es in vielen schottischen Städten Protestdemonstrationen, die Glocken der St.-Guiles-Kathedrale in Edinburgh spielten am 1. Mai 1707 das Lied: »Warum bin ich so traurig an meinem Hochzeitstag?«
    Für die britische Labour Party ist die Union wichtig, ohne die schottischen Abgeordneten wären ihre Chancen bei den Unterhauswahlen weit geringer. In Schottland dominierte Labour fünfzig Jahre lang die Politik, aber großartige Errungenschaften kann sie kaum vorweisen: Das schottische Wirtschaftswachstum ist niedriger als der britische Durchschnitt, die Arbeitslosigkeit höher, jedes dritte schottische Kind lebt in Armut, in Teilen Glasgows ist die Lebenserwartung niedriger als in Bagdad.
    »Höchstens in Japan oder Mexiko ist eine Partei so lange an der Regierung«, sagt Angus Robertson auf Deutsch mit Wiener Akzent, denn er hat sieben Jahre für den Radiosender Blue Danube Radio in der österreichischen Hauptstadt gearbeitet. »Und vielleicht noch in Bayern.« Robertson ist außenpolitischer Sprecher der SNP . Er leitet den Wahlkampf von der Parteizentrale aus. Die liegt am Rande der Innenstadt, im Hof hinter einer Investmentfirma, neben der Christian Family Church.
    Robertson ist Unterhausabgeordneter für den Wahlkreis Midlothian – Süd-Edinburgh und Umgebung. Dort geht Alex Salmond am Nachmittag auf Wahlkampf. Die Gegend ist eigentlich eine Hochburg der Labour Party. Früher lebte man hier vom Bergbau, doch das letzte Bergwerk ist nun auch nur noch ein Museum. Salmond will in der Stadt Dalkeith dem SNP -Kandidaten Colin Beatty unter die Arme greifen. Der war bis Oktober 2006 Investmentbanker in London, dann kündigte er und widmet sich seitdem dem ungewissen Geschäft der Politik.
    Im Zentrum von Dalkeith trifft man auf eine ungewöhnliche Anhäufung architektonischer Verbrechen, aber Salmond ist nicht zum Sightseeing hier. Er setzt sein geradezu spitzbübisches Lächeln auf, geht auf die Passanten zu und stellt sich vor: »Ich bin Alex Salmond, der nächste Erste Minister Schottlands.« Natürlich kennen ihn alle – oder fast alle. Florina Lacatus, eine junge Rumänin, will ihm die Obdachlosenzeitung Big Issue verkaufen. Salmond bezahlt und zeigt auf die Titelseite, auf der oben in der Ecke sein Foto abgedruckt ist. »Das bin ich«, sagt er. »Das glaube ich nicht«, sagt Lacatus, lässt sich aber überzeugen, nachdem Salmond die Innenseiten mit einem langen Interview mit ihm aufgeschlagen hat.
    Salmond ist sicherlich die schillerndste Figur in der schottischen Politik. Er ist mit der achtzehn Jahre älteren Moira verheiratet, gehörte zunächst dem sozialistischen Flügel der SNP an, der 1984 aus der Partei ausgeschlossen, aber schon einen Monat später wieder aufgenommen wurde. 1990 wurde Salmond Parteichef und führte die SNP 1997 zu den bis dahin erfolgreichsten Wahlen, bei denen die SNP ihre Westminster-Sitze von vier auf sechs erhöhen konnte. Im Jahr 2000 trat er zurück, änderte aber vier Jahre später überraschend seine Meinung und wurde mit fünfundsiebzig Prozent der Stimmen wieder zum Parteichef gewählt. Zum linken Flügel gehörte er da schon lange nicht mehr, seine Politik ist sozialdemokratisch.
    Salmonds Vorteil ist, dass er ein weit größeres Charisma hat als seine Konkurrenten, er schäkert gerne mit den Passanten, in J.T. Stewarts Fleischerei setzt er sich den weißen Metzgerhut auf und lässt sich fotografieren. Warum kandidiert er ausgerechnet im Wahlkreis Gordon im Nordosten Schottlands? Er benötigt eine gewaltige Wählerwanderung, um den Liberalen dort den Sieg wegzuschnappen. Aber er ist nun mal ein Spieler. Er zitiert den Marquess of Montrose, der im englischen Bürgerkrieg auf königlicher Seite gekämpft hat und 1650 in Edinburgh geköpft wurde:
    »Wer nur mit Furcht am Leben nagt,
Den Lohn verpasst, der Wicht.
Es ist der Mut, der alles wagt,
Zu gewinnen – oder nicht.«
    Das Porträt eines anderen, der stets auf königlicher Seite gekämpft hat, hängt eingerahmt in der winzigen Küche des SNP -Parteibüros. Sean Connery, der erste James-Bond-Darsteller und wohl berühmteste Schotte, der aus dem Edinburgher Stadtteil Fountainbridge stammt, überweist der Partei jedes Jahr ein hübsches Sümmchen für den Wahlkampf. Er selbst hat sein Heimatland schon vor mehr als einem halben Jahrhundert verlassen. Doch sobald Schottland unabhängig sei, werde er zurückkehren, sagt Connery und fügt hinzu: »Schottlands Unabhängigkeit ist mir wichtiger als ein Oscar.«
    Nachbemerkung: Die SNP

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