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Lesereise Schottland

Lesereise Schottland

Titel: Lesereise Schottland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Sotscheck
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achthunderttausend Pfund für Knoydart, doch Brealey überschrieb seine Firma auf seine Geschäftspartner. An der Vernachlässigung Knoydarts hat sich nichts geändert. Neunhunderttausend Pfund benötigen die Einwohner, um die Halbinsel dem Konkursverwalter abzukaufen. Der Theaterdirektor Sir Cameron Mackintosh, der sein Geld mit Musicals im Londoner Westend gemacht hatte, wollte Knoydart kaufen und an die Bewohner für wenig Geld verpachten. Mackintosh ist in der Gegend aufgewachsen, ihm gehört die benachbarte Halbinsel. Doch die Einwohner lehnten sein Angebot ab. »Auch wenn er ein besserer laird wäre als seine Vorgänger«, sagt Roger Trussell von der Knoydart-Stiftung, »hätte uns das Land immer noch nicht gehört.« Trussell, ein kleiner, schlanker Mann mit Schirmmütze und Gummistiefeln, war früher Kapitän eines Atom-U-Boots. Er sitzt am Kamin des Old Forge, der entlegensten Kneipe auf dem britischen Festland, und trocknet seine Jacke, denn draußen fegt der Regen schon seit Tagen über die Halbinsel. Trussell kam nach Knoydart, weil er der konsumorientierten Welt entfliehen wollte. Die Leute, die auf der Halbinsel leben, sind alle zugewandert, aufgrund der unsicheren Besitzverhältnisse ist die Fluktuation hoch. So unterschiedlich die Bewohner auch sind, sie bilden eine enge Gemeinschaft, denn die meisten Alltagsprobleme lassen sich nur durch Zusammenarbeit lösen. »Deshalb wollen wir das Land kaufen«, sagt Trussell. »Denn wenn einem laird dein Gesicht nicht passt, kann er dich hinauswerfen, und du hast keine Chance, dich dagegen zu wehren.« Ein laird hat weitreichende Rechte. Ihm gehört ja nicht nur das Land, sondern auch alles, was darauf steht und wächst. Er kann selbst kleinste Bauprojekte verhindern oder gegen die Zahlung einer Gebühr genehmigen, er kassiert Feudalabgaben, er kann die Menschen vertreiben, wann immer es ihm genehm ist.
    Und in der schottischen Geschichte war es den Landbesitzern oft genehm. Nachdem die letzte Rebellion der highland clans gegen die englische Krone in der Schlacht bei Culloden 1746 fehlgeschlagen war, mussten die clan chiefs ihre Armeen auflösen. Doch wohin mit den Leuten? Zunächst wurden sie mit der Produktion von kelp beschäftigt, einem braunen Seegras, dessen Asche zur Herstellung von Schießpulver benötigt wurde. Doch nach dem Ende der Napoleonischen Kriege 1815 war kelp nicht mehr gefragt. Viele clan chiefs und Landadlige, die sich an das komfortable Leben am Hofe in Edinburgh oder London gewöhnt hatten, stiegen auf Schafzucht um, die Menschen mussten weichen, denn sie brachten weniger ein als die Schafe. Bei den Vertreibungen, den berüchtigten clearances , wurden ganze Landstriche entvölkert. Betroffen waren vor allem das schottische Hochland und die Hebriden, wo verfallene Dörfer noch heute davon zeugen. Diese Dörfer und Denkmäler aus abgerissenen Häusern sowie touristische Fahrten zu den Orten besonderen Schreckens haben die clearances im Gedächtnis lebendig gehalten. Erst Ende des vorigen Jahrhunderts setzten die verbliebenen Pächter Gesetze durch, die ihnen ein wenig Sicherheit verschafften, aber Pachtland blieb rar. Das schottische Landrecht stammt aus dem Mittelalter. Noch heute ist in den Gesetzen von Lehnsherren und Vasallen die Rede. Achtundachtzig Prozent Schottlands sind in Privatbesitz, mehr als ein Sechstel davon gehört einundzwanzig Adelsfamilien. Mit sechshundertvierzig Quadratkilometern, die von tausend Angestellten bewirtschaftet werden, ist der Herzog von Buccleuch Schottlands größter Landbesitzer. Er kann seine Familie bis zu Karl II. zurückverfolgen. Der stets höfliche alte Herr hat etwas Ähnlichkeit mit Prinz Philip, dem Gemahl der Königin.
    Man solle sich doch mal die gescheiterten Kolchosen in den ehemaligen kommunistischen Ländern ansehen, sagt er. Seine Ländereien gediehen dagegen prächtig. »Hundertsiebenundzwanzigtausend Lämmer im Jahr, sechzehntausend Rinder, achtzehn Millionen Liter Milch, fünfzigtausend Tonnen Holz«, zählt er auf. »Und die Liste ist noch länger, es ist ein blühendes Geschäft.« Es bringt ihm fünfzehn Millionen Pfund im Jahr ein. Und er ist nicht einmal der schlechteste laird . »In den Highlands kaufen manche Leute Ländereien und halten das für eine Alternative zu einer Yacht im Mittelmeer«, sagt er, und das missfällt ihm, denn als Landbesitzer sei man seinen Leuten verpflichtet. Doch der Wunsch nach einer Landreform wird immer stärker in Schottland.
    Es war der Fall Eigg,

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