Lesereise - Schweden
Straße. Den identifiziere selbst ich als eindeutig männliches Tier. »Wie alt ein Elch ist, kann man an der Größe des Geweihs nicht eindeutig erkennen«, sagt Björn. Um das Alter herauszufinden, müsse man das Tier erschießen und ihm einen Backenzahn aus dem Gebiss herausbrechen. Wie ein Baum weist ein Elchzahn Jahresringe auf. Mit diesem Wissen interessiert uns das Alter des Elchbullen dann doch nicht mehr so brennend.
Zum Abschluss unserer Tour begegnen wir noch einer letzten Elchkuh, die ihre zwei Jungen dicht bei sich hat. Die kann ich aber nur noch erahnen. Inzwischen hat sich die Dunkelheit übers Land gelegt, und wären die Tiere Sekunden später nicht weggelaufen, hätte man ihre Umrisse auch für umgefallene Bäume halten können.
»Acht Tiere haben wir gesehen«, bilanziert Björn schließlich. Das sei der neue Rekord für dieses Jahr, erzählt er stolz. Da hat er Glück gehabt – so braucht er seinen Namen wenigstens nicht zu ändern.
Schwarzer Elch auf gelbem Grund
Ein »Kunstwerk« erobert die Herzen
Als ich das erste Mal über ihn las, war er bereits tot. Der Zeichner Kåge Gustafson starb im August 2006 im Alter von neunundachtzig Jahren. In Deutschland kennt ihn niemand. Dabei kommt kein anderer schwedischer Künstler dem Geschmack deutscher Touristen so nahe wie er. Er hat das Kunstwerk geschaffen, das wir mit Schweden in Verbindung bringen und das wir am meisten lieben: das Elchwarnschild – schwarzer Elch auf gelbem Grund, rot umrahmt.
Kåge Gustafson war kein gewöhnlicher Zeichner, er war ein Künstler in höherem Auftrag – er malte für die Sicherheit der Menschen. Gustafson war Angestellter des Schwedischen Straßenverkehrsamts und hat Zeit seines Lebens mehr als zweihundert Verkehrsschilder entworfen. In Schweden ist Gustafson noch für ein weiteres Meisterwerk bekannt – das Hinweisschild auf den Zebrastreifen. Auf ihm überquert ein schnell gehender Mann zielstrebig eine Straße. Dazu benutzt er – einen Zebrastreifen. Das Gleiche zu tun, fordert uns Gustafson in diesem 1955 entstandenen Werk auf. Anfangs ob seiner schlichten Schönheit gerühmt, geriet es Ende der siebziger Jahre in die Kritik. Auf dem Schild war ein Mann zu sehen. Nur ein Mann. Wo war die Frau?, fragte damals das politisch korrekte Schweden. Sollten etwa nur Männer sicher über die Straße kommen?
Und: Sind Frauen weniger wert als Elche?
Bären
Mit Sendern und Kugeln auf der Jagd nach Meister Petz
Ich fahre zusammen mit Andrea Friebe über die Waldwege Dalarnas. Auf dem Dach meines Wagens sitzt eine Antenne, doch der kleine Empfänger, den sie in der Hand hält, rauscht nur lustlos vor sich hin. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass kein Bär in der Nähe ist. Andrea Friebe ist Bärenforscherin, und ich bin mit ihr auf der Pirsch, auf der Suche nach einem der hundertvierzig Bären, die mit einem Sender um den Hals durch die schwedischen Wälder trotten.
Wir sind zwanzig Minuten unterwegs, als wir endlich das erste Signal hören: Ein regelmäßiges leises Klopfen. Auf ein Zeichen der jungen Forscherin hin halte ich den Wagen an, von jetzt an geht die Bärensuche mit der Handantenne weiter – die ist genauer. Andrea Friebe steigt aus, läuft einige Schritte in den Wald hinein und hält die Antenne über den Kopf. Sie dreht sich langsam um die eigene Achse. Positioniert die Antenne mal tiefer, mal höher. Erst schweigt das Empfangsgerät in ihrer Hand, dann piepst es schüchtern, und schließlich gibt es laute Töne von sich. »Nuppi ist ganz in der Nähe«, sagt Friebe zufrieden und deutet in die Richtung, in der sie das Tier vermutet. Nuppi ist eine Bärin, trägt ein Sendegerät um den Hals und ist »unfreiwillige« Teilnehmerin eines Forschungsprojekts.
Wie weit sie von uns entfernt ist, kann Friebe nur schätzen. Die Intensität des Piepstons verrät ihr aber, dass es nicht mehr als ein Kilometer sein kann. Um den exakten Standort des Bären herauszufinden, muss man ihn von drei unterschiedlichen Punkten anpeilen. Deswegen steigen wir wieder ins Auto und fahren ein paar Hundert Meter weiter. Nach einem halben Kilometer peilen wir den Bären zum zweiten und nach einem weiteren Kilometer zum dritten Mal an. Friebe trägt die Messkoordinaten in eine Karte ein. Dort, wo sie sich schneiden, befindet sich der Bär. Zumindest theoretisch. Denn während er angepeilt wird, bewegt er sich ja weiter. Nuppi scheint aber eine besonders müde Bärin zu sein. Sie liegt offensichtlich selig schlummernd am Ufer
Weitere Kostenlose Bücher