Lesereise - Schweden
doch nicht mehr als rot oder blau angemalte Holzfiguren. Hunderttausend verkauft Olsson davon jedes Jahr, und die gleiche Menge bringen auch die Cousins aus dem Laden gegenüber unters schwedische Volk. Rein rechnerisch müsste eigentlich in jedem schwedischen Wohnzimmer ein Dalapferd stehen. Um die Nachfrage anzukurbeln, hat der geschäftstüchtige Olsson deswegen sein Sortiment erweitert. Inzwischen gibt es nicht nur rote und blaue Pferde, sondern auch weiße und schwarze. Der neueste Verkaufsschlager sind aber hellblaue und rosa Pferdchen. Die sollen zur Taufe verschenkt werden – ein nahezu unerschöpflicher Markt.
Schon lange gibt es die Pferde in den unterschiedlichsten Größen: winzig kleine Ohranhänger und auch mannshohe Zierfiguren für den Vorgarten. Seit einiger Zeit stellt Olsson außerdem Hähne und Schweine her. Bis jeder Schwede neben seinem Pferd einen Hahn und ein Schwein im Regal stehen hat, vergehen sicher noch einige Jahre. Bis dahin hat Lasse Olsson ausgesorgt – und seine Cousins auch.
Elche stellt Olssons Werkstatt nicht her. Und das, obwohl die bei den Touristen sehr gut ankämen. Die nämlich »wollen immer nur Elche«, sagt Olsson schmunzelnd. Wegen des großen Geweihs sind Elchfiguren aber nur sehr schwer zu schnitzen. »Wir haben das hier schon ausprobiert, aber die Geweihe sind immer wieder kaputtgegangen«, erzählt er von dem zunächst gescheiterten Versuch der Betriebsexpansion. Um seine ausländischen Kunden zufriedenzustellen, hat er dennoch neben Elch-T-Shirts, Elchschnapsgläsern, Elchvorhängen oder Elchschürzen auch ein paar Elchfiguren in sein Sortiment aufgenommen. Produziert wurde das Ganze, sagt der Alte, »irgendwo im Osten«.
Elche
Auf der Suche nach dem Lieblingstier der Touristen
Vielleicht war es keine gute Idee, mit jemandem, der Björn heißt, auf eine Elchsafari zu gehen. Björn bedeutet auf Schwedisch Bär, und der ist nach dem Menschen und dem Wolf der größte Feind der Elche. Seit gut einer Stunde fährt uns Björn in seinem Kleinbus über einsame Waldstraßen und wird nicht müde zu betonen, dass hier in Dalarna die meisten Elche in Schweden leben. Im ganzen Land gibt es mehr als dreihundertfünfzigtausend davon, aber kein einziger lässt sich blicken. Wir sind in der Dämmerung unterwegs, der Tageszeit, in der angeblich die Tiere aus dem dichten Wald herauskommen, um auf den Lichtungen zu fressen. Björn spekuliert über ein Wolfsrudel, das sich in der Gegend aufhalte und die Elche vertrieben haben könnte. Auffällig oft erzählt er auch, dass Elche wilde Tiere seien, die nicht immer unbedingt dort auftauchten, wo man es gerne hätte. Ich zweifle zunehmend an Björn und der Existenz seiner Elche.
Irgendwo aber müssen sie sein. Denn viele Touristen fahren nur deswegen nach Schweden, um einen Elch zu sehen. Und einigen scheint dies auch gelungen zu sein. Vermutlich waren diese Menschen aber nicht mit Björn unterwegs. Warum lieben die meist deutschen Touristen die Elche so? Liegt es an den großen Kuschelohren oder der weichen Schnauze, die der Elch, scheinbar ständig kussbereit, in den Wind hält? Beides – die Ohren wie der Mund – dient eigentlich einem ganz anderen Zweck als dem, süß auszusehen. Als Waldtier ist der Elch auf sein Gehör und damit auf große Lauscher angewiesen. Und mit der Muffel, wie der Fachmann die Schnauze bezeichnet, schält er die Rinde vom Baum.
Wahrscheinlich müsste man Psychologen bemühen, um herauszufinden, was Deutsche an Elchen derart begeistert. Auf jeden Fall ist es eine Faszination, die Schweden nicht nachvollziehen können. Für sie ist der Elch eine ganz normale Hirschart, deren einzige Besonderheit ihre Größe ist: Elchbullen können nämlich bis zu fünfhundert Kilo schwer und bis zu zwei Meter zwanzig groß werden. Zumindest in Europa. Nordamerikanische Exemplare sind noch schwerer und größer.
Während die Schweden die meiste Zeit des Jahres über die Elchbegeisterung der Touristen nur milde lächeln, verwandeln sie sich im Oktober selbst in Elchverrückte. Dann beginnt die Jagdsaison, und alle schwedischen Männer verschwinden im Wald. Die Elchjagd ist das Ereignis des Jahres, das selbst der König niemals verpasst. Wer es irgendwie einrichten kann, nimmt sich zu dieser Zeit Urlaub – und geht mit dem Gewehr in der Hand auf die Pirsch.
Beerensammler und Wanderer, die dann unterwegs sind, tun gut daran, sich mit einer roten Signaljacke deutlich als »Nicht-Elch« zu kennzeichnen. Immer wieder kommt
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