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Lesereise - Schweden

Lesereise - Schweden

Titel: Lesereise - Schweden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rasso Knoller
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es zu Jagdunfällen. Vor einigen Jahren erschoss beispielsweise ein achtzigjähriger Waidmann einen Beerensammler. Zu seiner Entschuldigung brachte der rüstige, aber stark kurzsichtige Veteran vor, er sei sich sicher gewesen, dass es sich bei seinem Opfer um einen Elch gehandelt habe.
    Bei der Mehrzahl der zur Strecke Gebrachten handelt es sich aber tatsächlich um Elche. Neunzigtausend Tiere werden allein während einer Jagdsaison geschossen, ohne dass sich dadurch ihr Gesamtbestand wesentlich verringert.
    Die Touristen leben ihre Begeisterung für Elche auf andere Weise aus. Sie kaufen Elchlosung im Glas oder Papier, das daraus hergestellt wurde. Und die wirklichen Fans hängen sich die kleinen Köttel sogar an der Schnur aufgezogen als Kette um den Hals. Oder sie klauen Verkehrsschilder, die vor Elchen auf der Straße warnen. Mit dem Schraubenzieher bewaffnet, machen sie sich dann über die Elche auf dem Blech her – um das Straßenschild dann nach der Rückkehr aus dem Urlaub wie eine echte Trophäe im Partykeller aufzuhängen. Diese Jagdlust, mag sie zunächst auch unblutig erscheinen, ist nicht ungefährlich: Die Schilder warnen nämlich vor einer durchaus realen Gefahr. Unfälle mit Elchen passieren recht häufig. Über zweitausend folgenschwere Kollisionen zwischen Mensch und Tier werden jährlich gezählt. Ernsthafte Verletzungen sind bei solchen Zusammenstößen die Regel. Ein schwedischer Elchjäger hat mir einmal erzählt, dass die Mitarbeiter der Straßenverkehrsämter die neuen Schilder, bevor sie sie aufstellen, an mehreren Stellen anbohren. Damit sollen sie für potenzielle Diebe unattraktiv werden.
    Björn braucht heute kein Elchwarnschild, denn wo kein Elch ist, ist auch die Warnung überflüssig. Meine Zweifel an der Existenz von Elchen verstärken sich immer mehr. Kann es sein, dass sie nur eine Erfindung der schwedischen Tourismusindustrie sind, um Urlauber ins Land zu locken? Wieder fahren wir langsam an einer Lichtung vorbei. Björn erklärt uns, dass der Mensch durch die vielen Kahlschläge ideale Lebensbedingungen für Elche geschaffen hat. Dort finden sie ihre Lieblingsspeise im Übermaß: kleine leckere Sprösslinge. »Sie müssen jetzt ganz genau hingucken«, ermahnt er uns immer wieder. Wir, das sind vier Deutsche und zwei Holländer. Unsere Gruppe könnte typischer nicht sein. Denn eigentlich melden sich immer nur Deutsche und Holländer zu Elchsafaris an. »Schweden sind unter unseren Gästen sehr selten, die sehen genug Elche vor ihrer Haustür«, sagt Björn. Ich möchte wissen, wo die ihre Haustüren haben. Hier jedenfalls nicht.
    Inzwischen ist es schon ziemlich spät, und wir sechs haben jede Hoffnung aufgegeben, jemals einen Elch zu sehen. Björn offenbar auch, denn er hat sich inzwischen darauf verlegt, uns deren Spuren zu zeigen. Sobald er eine auf dem Waldweg zu erkennen glaubt, hält er an und fordert uns auf auszusteigen, um den Waldboden genau ins Visier zu nehmen. »Elchspuren ähneln denen eines Pferdes«, erklärt er, nur seien die Abdrücke vorne offen. Während wir uns wie fährtensuchende Indianer über die Spur beugen, überquert keine zwanzig Meter entfernt eine Elchkuh mit ihrem Jungen seelenruhig den Weg. Wir hätten die beiden nicht gesehen, und Björn auch nicht. Aber Björns Sohn gibt Alarm. Er hat uns auf unserem Ausflug begleitet, und weil für ihn Elchspuren im feuchten Erdreich nichts Besonderes mehr sind, war er aus Langeweile im Auto sitzen geblieben. Hektisch greife ich nach meiner Kamera und drücke ab. Die Elchkuh lässt sich dadurch nicht beeindrucken, sie bleibt sogar für einen Moment stehen und schaut mich neugierig an. Dann trabt sie langsam weiter, ihr Kleines im Schlepptau. Als ich die Ausbeute der Fotojagd im Display meiner Digitalkamera begutachte, zeigen sich nur verschwommene Bilder. »Schon zu dunkel«, stellt einer der Mitreisenden fest und tröstet mich mit einem »bei mir sieht es genauso aus«. Zufrieden ist nur seine Tochter: »Für den Beweis in der Klasse, dass ich einen Elch gesehen habe, reicht es«, sagt sie mit triumphierendem Unterton in der Stimme.
    Als sei ein Fluch von uns genommen, tauchen jetzt fast im Minutenabstand weitere Elche auf. An der nächsten Lichtung entdecken wir wieder zwei Tiere. »Einjährige«, erklärt Björn, »Bruder und Schwester.« Ich erkenne keinen Unterschied der Geschlechter, für mich sehen beide gleich aus. Etwas später steht dann ein richtig kapitaler Bulle mit riesigem Geweih neben der

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