Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lesereise Zypern

Lesereise Zypern

Titel: Lesereise Zypern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knut Diers
Vom Netzwerk:
Geschäfte abgewickelt werden, die Russen anzogen. Die vielen business men brachten dann gleich die Familien mit. Was sich heute im Straßenbild der mit Millionenzuschüssen aus dem Topf der Europäischen Union aufgemöbelten Innenstadt tut, ist sehenswert. Cafés und Restaurants grenzen an Läden der Extraklasse. Durch die Luxusläden stöckeln kurzröckige Frauen, umgeben von einem Duftschleier. Lange Wimpern und Fingernägel scheinen sie als Ikone des Wohlstands oder süßen Nichtstuns zu verstehen. Sie tuscheln. Sie mögen kaum ihre flachen Mobiltelefone aus der Hand legen, über die die nächsten Verabredungen eingehen. Sie können Englisch lesen und sprechen Russisch. Sie sind Single und weltoffen. Sie kommen auch paarweise und wollen Leben tanken.
    Der Geruch von russischem Rauchtee, den jemand im Samowar bereitet hat, zieht durch ein Lokal. Eine »Lady in Black« setzt sich und überkreuzt die Beine, sodass kurz tiefere Einblicke möglich sind. Offenherzig ist sie obendrein, denn die Bluse, frisch importiert aus Paris, betont die Rundungen, glänzt durch Weglassen einiger Partien und ist transparent. Sie hat offensichtlich eine enge Vertraute über die drahtlose Telefonverbindung herbeigerufen. Es gibt reichlich Küsschen. Die strahlende Fee im Hosenanzug setzt sich zu ihrer Busenfreundin. Sie tratschen und tuscheln. Sie lachen und gackern. Sie versprühen eine fröhliche Beschwingtheit, als hätte die Welt sie soeben aller Sorgen entledigt.
    Gegenüber entsteht gerade die Limassol Marina. Teure Häuser in bester Uferlage mit Schwimmbad und Anleger für die Jacht sind bezugsfertig. Bilder öder Fischerhütten und vergammelter Frachter, die es früher hier gab, gehören in die Erinnerungsschatzkiste des Stadtarchivs. Wenn die Bauarbeiter ihre Container abtransportieren, dann tummeln sich bald die Reichen und Schönen der östlichen Welt endlich standesgemäß in der Nähe des Ankerplatzes ihrer millionenschweren Konten. Der industrielle Teil des Hafens hat bereits große Dimensionen. Hier machen lange Containerschiffe fest, deren gestapelte Transportkästen oft chinesische oder dänische Namen tragen. Stückgutfrachter werden mit Kränen entladen. Die im fünften Jahrhundert von den Römern gegründete Stadt hatte schon immer einen florierenden Handelshafen. Er scheint sich auf neue Rekorde einzustellen. Hier rollt der Rubel. Hier wechseln Millionen Dollar täglich den Besitzer. In der größten Hafenstadt Zyperns pulsiert das Leben ohne Pause.
    Nirgends sonst auf der Insel wird so ausgelassen Karneval gefeiert wie hier. Gaukler, Musikanten und leicht gekleidete Funkenmariechen tanzen über das Pflaster. Figurengeschmückte Wagen locken die Blicke an. Im Mai ist Blumenparade, im August Tanzfest mit Folklore. Die Hotels pflegen internationalen Standard und reihen sich am Kiesstrand Richtung Nordosten auf. Das eine wirbt mit mehreren Gourmettempeln im Haus, das andere mit der weltbesten antiken Badelandschaft. Wein und Wodka fließen ohnehin in Strömen. Chinesische, indische und amerikanische Restaurants stehen friedlich nebeneinander. Und was sich hinter Schildern wie »Topless« verbirgt, verlangt wenig Fantasie. Hier scheinen Männer alles zu finden, was sie unter Spaß verstehen.
    Wenn Väterchen Frost noch weite Teile Russlands im Griff hat, lassen sich hier schon Minirock und T-Shirt tragen. Wer nicht gerade am Schwarzen Meer ein paar schöne Tage verbringen möchte, ist aus russischer Urlaubsplanersicht mit dem günstigen Zypern schnell und gut bedient. Viele reisen auch ihrem Geld hinterher, das vielleicht schon längst in der Russian Commercial Bank von Limassol in einer gewinnträchtigen Anlage Freunde gefunden hat. Jedenfalls verstehen es die dortigen Banker, einen so großen Kapitalfluss auf das Eiland zu lenken, dass bei den jüngsten Finanzturbulenzen Moskau großzügige Kredite an Zypern vergab, um das hier geparkte Geld vor dem Untergang zu bewahren.
    In der Karaoke-Bar beherrscht jetzt Ani Lorak die Leinwand. Die ukrainische Sängerin mit den langen schwarzen Haaren und dem weiß funkelnden Kurzkleid stößt ihr englisches »Shady Lady« armrudernd in die Arena. Irina und ihre Freundin Anastasija reiben ihre Hüften aneinander. Die Bässe hämmern. Ihre Stimmen werden lauter. »Are you ready?«, singen sie nach Anis Vorgabe meisterhaft echt. Sie gewinnen die Hoheit in dieser Gesangsecke im Gewirr der Geräusche. Die ersten Zuhörer applaudieren. Jetzt umarmen sich die gerührten Sängerinnen

Weitere Kostenlose Bücher