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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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zumindest nicht, wenn sie uns nicht angreifen. Ein Kaninchen für den Suppentopf ist alles, was ich damit schießen will.«
    Der Doktor sah sie traurig an. »Du hast dich sehr verändert, seit er gestorben ist, Matty«, seufzte er. »Ich vermute, das war wohl unumgänglich, aber ich fürchte, du wirst ein wenig …« Er hielt plötzlich inne, als wollte er ihre Gefühle nicht verletzen.
    »Fahren Sie fort«, lachte sie. »Ein wenig maskulin, wollten Sie sicher sagen?«
    Das Gesicht des Doktors rötete sich. »Nein, ›hart‹ war das Wort, nach dem ich suchte«, erklärte er. »Selbst wenn du ein Gewehr trägst, bist du viel zu hübsch, um maskulin zu wirken.«
    Hübsch war eigentlich ein viel zu schwaches Wort, dachte er. Sogar in ihrer einfachen Trauerkleidung sah sie bezaubernd aus, und in den vergangenen Monaten war sie sogar noch schöner geworden, trotz der Traurigkeit in ihren Augen. Ihr blondes Haar glänzte wie reifes Korn in der Sonne. Ihre Wangen leuchteten rosig, und sie hatte sogar ein wenig zugenommen, was er sich durch das gute Essen und die Ruhe erklärte, die sie hier im Haus hatte genießen können. Er wünschte, dass ein gebrochenes Herz ebenso schnell heilen würde, denn er konnte nicht mehr zählen, wie oft er sie des Nachts weinen gehört hatte.
    »Doktor Treagar, Sie wissen sehr gut, wie man ein Mädchen dazu bringt, sich besser zu fühlen«, meinte sie.
    Er lachte. »Wer in Gottes Namen hat dir das Schießen eigentlich beigebracht?«, fragte er.
    »Solomon!« Matilda grinste. Es war jetzt Mitte April, und sie hatte in den vergangenen Wochen viel Zeit mit Schießübungen und Reiten verbracht. Außerdem hatte sie jeden verfügbaren Handzettel darüber gelesen, wie man die Reise nach Oregon überlebte. »Er hat mir auch beigebracht, die Ochsen zu führen und ein zerbrochenes Rad zu wechseln oder zu reparieren. Ich kann es zwar nicht allein, aber ich weiß wenigstens, wie es geht.«
    Der Doktor schüttelte den Kopf. »Damen sollten diese Dinge nicht tun müssen.«
    »Ich bin nie eine Dame gewesen«, konterte sie trocken. »Im Vertrauen, Doktor, denn ich weiß, Sie haben sich immer dafür interessiert, wie ich zu den Milsons gekommen bin, ich habe als ihr Kindermädchen angefangen. Doch zuvor habe ich in den Straßen von London Blumen verkauft und in einem Slum gelebt. Also machen Sie sich um mich keine Sorgen. Die Milsons mögen mir feines Benehmen beigebracht haben, aber meine Kindheit hat mich das Überleben gelehrt.«
    Obwohl diese Enthüllung den Doktor erstaunte, erklärte sie einige rätselhafte Unstimmigkeiten in ihrem Charakter, die er in den vergangenen Wochen bemerkt hatte, und er bewunderte sie jetzt noch mehr für ihre Ehrlichkeit.
    »Für mich wirst du immer eine Dame sein«, versicherte er und klopfte ihr anerkennend auf die Schulter. »Nun, sollen wir die Holzkiste zu deinem Wagen bringen, bevor Mrs. Treagar das Gewehr entdeckt und einen Nervenzusammenbruch erleidet? Bist du wirklich sicher, dass du die letzte Nacht in dem Wagen schlafen möchtest?«
    »Ganz sicher«, antwortete sie grinsend. »Sehen Sie, Cissy hat mir gesagt, ich sollte mir eine Position ganz vorne im Treck sichern, und wenn ich heute Nacht in Ihrem Haus bleibe, könnte mich jemand von dort vertreiben.«
    »Du brauchst Captain Russell nur anzulächeln und wirst jede Position bekommen, die du verlangst«, er lachte. »Also komm, ich werde dich, Tabitha, den Hund und dieses unsägliche Gewehr in meiner Kutsche mitnehmen. Morgen Früh komme ich dich mit Mrs. Treagar verabschieden.«
    »Es ist richtig gemütlich, nicht wahr?«, flüsterte Tabitha, als sie aneinander gekuschelt im Planwagen lagen. Draußen war es ruhig geworden, abgesehen von den wiehernden Pferden und den bellenden Hunden. Diesmal waren fünfunddreißig Wagen mit meist sechs Personen versammelt, um die Reise anzutreten. »Ich finde es schöner als in einem Haus.«
    »Wir werden wahrscheinlich anders darüber denken, wenn es regnet oder sengend heiß wird«, gab Matilda nachdenklich zurück. Es war seltsam, aber von dem Moment an, in dem Solomon ihr den Wagen gezeigt hatte, hatte sie sich gern darin aufgehalten. Vielleicht lag das daran, dass sie vorher nie ein Heim besessen hatte, das ihr allein gehörte. Solomon hatte den Wagen im vergangenen Jahr von einer Familie gekauft, die nur ein paar Hundert Meilen gefahren und dann zurückgekehrt war, ordentlich abgeschreckt von der Idee, nach Westen zu ziehen. Er hatte Matilda den Wagen für etwa die Hälfte

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