Lesley Pearse
verwandeln.«
»Es werden keine Zeuginnen übrig bleiben, wenn Sie nicht helfen«, erwiderte sie. »Ich bitte Sie ja nicht, Ihre Ärmel hochzukrempeln und selbst mit anzufassen. Sie sollten wenigstens genug Mitgefühl haben, um sich für sie einzusetzen.«
Er zitterte jetzt vor Erregung, und sie erkannte, dass er schwach, nicht herzlos war.
»Zwei dieser Mädchen entstammen Ihrer eigenen Rasse«, sagte sie, bedacht, ihren Standpunkt verständlich zu machen. »Wie würden Sie sich fühlen, wenn eine Ihrer Töchter mit dem Versprechen eines guten Jobs von zu Hause fortgelockt worden wäre? Und wie würden Sie reagieren, wenn Sie später erführen, dass sie in einem Bordell gestorben wäre, weil ein einziger Mann seine Hilfe verweigerte?«
Er seufzte tief und zupfte an seinem Bart. »Nun gut, ich werde sehen, was ich tun kann, Mrs. Jennings.«
Sie kniete sich vor das kleine schwarze Mädchen und strich ihm tröstend über das Gesicht. »Ich werde mich um euch alle kümmern«, versprach sie sanft. »Aber zuerst muss ich nach Hause gehen und ein paar Sachen für euch holen. Ich werde bald wieder mit Essen und ein paar anderen Dingen hier sein. Habt keine Angst, wenn ihr unten Geräusche hört, denn das werde ich sein, die mit ein paar anderen Frauen zurückkehrt. Kannst du das den anderen Kindern erklären?«
Drei Stunden später konnte Matilda die Mädchen nach unten rufen.
Sie war mit Dolores zurückgekehrt, und Mr. Rodrigious hatte auch noch zwei Frauen geschickt, eine Schwarze und eine Irin. Beide schienen ein wenig Angst zu haben, aber nachdem Matilda die Arbeit erklärt und ihnen zusätzliches Geld versprochen hatte, hatten sie schnell den Kamin gefeuert und Wasser gekocht. Das Geräusch von Schrubben und der Geruch nach Seife erfüllten den ersten Stock des Hauses. Dolores hatte den Kindern Suppe nach oben gebracht, während Matilda alle Möbel und Gegenstände aus dem ersten Stock entfernt hatte, welche die Kinder an Mrs. Honeymead erinnern könnten. Nachdem die Matratzen geliefert worden waren, hatte sie die Betten auf dem Boden errichtet.
Schließlich gingen Matilda und Dolores nach oben, um die Mädchen zu holen. »Wir müssen die Schwächsten nach unten tragen«, erklärte Dolores, als sie das oberste Stockwerk erreichten. »Vielleicht werden uns die anderen dann folgen.«
Matilda betrat jeden Raum und begrüßte die Kinder, bevor sie anfingen, sie hochzuheben. Das kleine schwarze Mädchen, das nach ihrer Hand gegriffen hatte, kam willig zu ihnen, und auch die Chinesin trottete ein paar Schritte auf sie zu. Matilda nahm sie auf den Arm und war verwundert, dass sie nur etwa so viel wie Amelia wog.
Dolores trug das schwer verwundete schwarze Mädchen und summte sanft, während sie es die Treppe hinunterbrachte. Das Geräusch nackter Füße auf dem Boden ließ die beiden Frauen sich umdrehen – das andere schwarze Mädchen folgte ihnen vorsichtig.
»Komm ruhig mit uns«, meinte Matilda. »Du brauchst dich nicht zu fürchten.«
Während Matilda das chinesische Mädchen direkt in die Badewanne legte, meinte Dolores, ihres sei zu schwach, um aufrecht sitzen zu können. Sie legte es auf den Küchentisch und fing an, sein blutverschmiertes Hemd auszuziehen. »Kommen Sie, und schauen Sie sich das an.«
Matilda kam näher, aber der Anblick entsetzte sie zutiefst. Die Rippen des Kindes traten in seltsamen Winkeln aus der Haut hervor. Kaum ein Fleck seines schmächtigen Körpers war unberührt geblieben. Sicher hatte die Kleine Unvorstellbares durchgemacht.
Es dauerte sehr lange, bis alle Mädchen sauber in ihren neuen Betten untergebracht waren. Jede Bewegung musste sanft und bedacht ausgeführt werden, um sie nicht weiter zu erschrecken. Sie konnten nicht einmal die Namen der Mädchen herausfinden, um besser mit ihnen reden zu können. Matilda folgte Dolores’ Beispiel, indem sie einfach in einen Singsang verfiel, ohne über etwas Bestimmtes zu sprechen, denn das schien sie zu beruhigen.
Doch schließlich kam der Arzt, und in dem Moment, in dem er mit Matilda den Raum betrat, fingen alle Kinder an zu wimmern, außer den schwer Verletzten, die nichts wahrzunehmen schienen.
»Er ist ein guter Mann«, erklärte Matilda mit fester Stimme. Sie kannte Dr. Wilinsky, einen Polen, flüchtig, da er manchmal ins London Lil’s kam. »Er ist Arzt und will euch helfen, damit es euch wieder besser geht.« Aber ihre Worte beschwichtigten die Ängste der Kinder nicht.
Eine halbe Stunde später erklärte der Doktor
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