Lesley Pearse
einer Granate getroffen worden. Ihr Mund wurde trocken, und ihr Herz klopfte unnatürlich laut. Bauchschüsse waren immer die schlimmsten Verletzungen. Sie kannte keinen Mann, der eine solche jemals überlebt hätte.
Es war nicht gerecht. Alles, was sie geplant und wovon sie geträumt hatte, hing von James ab. Ohne ihn würde ihr Leben nichts mehr wert sein.
Dennoch gelang es ihr, zu lächeln, ihn zu küssen und zu erzählen, wie sie den ganzen Weg hergerannt war, sobald sie gehört hatte, dass er verletzt worden war. Sie fragte sich, warum sie nicht weinte oder ihn schlug, weil er sich nicht aus dem Kampf entfernt hatte, wie es von ranghöheren Offizieren erwartet wurde. Aber alles, was sie tat, war, ihn anzulächeln und ihm zuzuflüstern, wie sehr sie ihn liebte.
»Wird Peter durchkommen?«, erkundigte er sich und griff nach ihren Händen. Seine Stimme war so rau und schwach, dass auch sie sich schwach fühlte.
»Ja, durch dich, mein Liebling. Er hat mir erzählt, was du für ihn getan hast.«
»Er ist ein großartiger Soldat geworden«, erwiderte James sanft. »Er macht dir alle Ehre, Matty.«
»Peter bat mich, dir auszurichten, dass er dich liebt«, erklärte sie, beugte sich nah ihn heran und strich ihm über das Haar. »Er sagte, du wärst der tapferste Mann, den er kennt. Aber selbst wenn er wieder so schnell gesundet, dass man ihn in den Krieg zurückschicken könnte, werde ich mit Zähnen und Krallen versuchen, es zu verhindern.«
James nickte zustimmend. »Richte Tabitha von mir aus, dass sie ihre Studien wieder aufnehmen soll, wenn all das vorbei ist. Nichts soll sie davon abhalten, Ärztin zu werden, und sag Sidney, mir tut es Leid, dass ich nicht Pate der kleinen Elizabeth Rose werden konnte. Er soll sich für mich um dich kümmern.«
Sie wollte gerade versichern, es würde ihm bald wieder besser gehen, sodass er Elizabeth in absehbarer Zeit selbst sehen könnte, und auch James, Marys und Sidneys zweites Baby, das sie nach ihm benannt hatten. Aber sie hatte inzwischen zu viel Erfahrung mit dem Tod, um einen Mann davon abzuhalten, vor seinem Tod die Dinge loszuwerden, die ihm auf der Seele lagen.
Er nahm ihre Hände und blickte sie an.
»Nicht«, bat sie und versuchte, sie ihm zu entziehen. »Sie sind so hässlich.«
»Ich liebe diese Hände«, flüsterte er und zog sie zu seinen Lippen. »Denn ich weiß, warum sie so geworden sind. Jede Narbe erzählt die Geschichte einer tapferen Frau mit einem großen Herzen. Ich weiß nicht, wie oft ich in den letzten drei Jahren von diesen Händen geträumt habe. Sie sagen mehr über dich aus als dein wunderschönes Gesicht.«
»Ich muss furchtbar aussehen«, murmelte sie und blickte zu ihrer blutverschmierten Schürze über ihrem graubraunen Rock herunter.
»Für mich siehst du aus wie ein Engel«, widersprach er leise und hielt ihre Hand fest umschlossen. »Es tut mir Leid, dass ich meine Versprechen nicht halten konnte.«
»Du hast mir mehr Glück geschenkt, als einer Frau zusteht«, entgegnete sie. »Was sind schon ein paar nicht eingehaltene Versprechen?«
»Ich habe verlangt, dass man mich in Gettysburg beerdigt, bei meinen Männern«, meinte er plötzlich. »Ich könnte es nicht ertragen, nach Fredericksburg zurückgebracht zu werden.«
Einen Moment lang war sie versucht zu protestieren, aber sie sah seinen Blick und verstand. Es war nicht unbedingt, dass seine Heimatstadt eingenommen worden war oder ihn mit dem Ort und seinen Leuten dort nichts mehr verband. Es waren seine Männer, die ihm wichtig waren, und wenn sie in einem primitiven Massengrab beerdigt werden mussten, wünschte er, bei ihnen zu sein.
»Darf ich teilnehmen?«, fragte sie, und Tränen schlichen sich schließlich in ihre Augen.
»Ich habe mit dir gerechnet«, flüsterte er. »Und auch mit Tabby. Du und deine Familie, ihr habt mir immer mehr bedeutet als meine eigene.«
»Wenn nur …«, fing sie an, unterbrach sich jedoch.
»Wenn nur was?«
»Wenn wir nur ein Kind miteinander hätten«, sagte sie und versuchte zu lächeln.
James blickte sie traurig an. »Ich dachte, einer deiner Grundsätze wäre, niemals zurückzublicken?«
»Es ist leicht, so etwas zu sagen, aber schwierig, danach zu handeln«, bekannte sie. »Nicht nach all dem, was wir einander bedeutet haben.«
James hielt noch etwa zehn Minuten durch. Seine Augen waren weit geöffnet, und seine Hand umklammerte Matildas.
Schließlich fand sie die Worte, die sie früher nie hatte aussprechen können. »Du hast
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