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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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überrascht.
    »Oh, ja, Matty, das habe ich. Du hast Recht, es ist der gottverlassenste Ort, den ich jemals betreten habe. Ich bin glücklich, dass du dort herausgefunden hast, ohne verletzt zu werden.«
    »Aber wenn Sie dort waren, wie konnten Sie Stillschweigen darüber bewahren?« Seine Ruhe verblüffte sie.
    »Warum hast du Mrs. Milson nicht direkt davon erzählt, als du nach Hause gekommen bist?«, wollte er wissen.
    Matilda blickte ihn an – er hatte eine seiner Augenbrauen fragend gehoben, und um seinen Mund spielte ein Lächeln.
    »Sie wäre sicher außer sich gewesen«, antwortete sie. »Ich würde ihr zutrauen, dass sie mich draußen in den Schuppen gesperrt hätte, bis sie sicher gewesen wäre, dass ich keine Krankheiten mitgebracht hätte.«
    Giles lachte kurz auf. »Das ist der Grund, warum auch ich zu Hause nicht davon geredet habe. Sie hätte mir das Versprechen abgerungen, diesen Ort nie wieder zu betreten. Jetzt, da du die Schrecken von Five Points – so heißt dieses Viertel – erlebt hast: Was, glaubst du, kann man dagegen unternehmen?«
    »Man muss die Leute in anständigen Häusern unterbringen, sie ernähren und Five Points vollständig niederbrennen.«
    Giles lächelte. »Das war auch mein erster Gedanke. Aber ich habe bald entdeckt, dass man mit dem Kopf, nicht mit dem Herzen denken sollte. Um eine Lösung zu finden, müssen wir logisch und leidenschaftslos an die Sache herangehen.«
    »Wie kann ein Mensch leidenschaftslos sein, wenn er Five Points gesehen hat?« Ihre Stimme wurde lauter.
    »Nun, man muss sich zunächst über die Gründe klar werden, wie ein solches Viertel überhaupt entstehen konnte«, entgegnete er und streckte die Arme auf dem Tisch aus. »Amerika hat genug Fläche für Millionen von Menschen, und die Regierung empfängt jeden Neuankömmling mit offenen Armen. Dennoch gibt es keine Stelle, die sichert, dass es für alle Menschen genug Wohnungen und Arbeit gibt. Keiner kontrolliert, ob die Immigranten ausreichend Geld haben, um ihre Familien zu ernähren, während sie nach Arbeit suchen. Diese zerfallenen Häuser, die du heute gesehen hast, waren einmal anständige Einfamilienhäuser. Als der Wohlstand der Eigentümer zunahm, verließen sie das Viertel und vermieteten die Häuser. Die eben angekommenen Immigranten konnten es sich meist nicht leisten, für ein ganzes Haus aufzukommen, weshalb sie nur einen Raum mieteten. Diejenigen, die keine Arbeit fanden, waren bald gezwungen, dieses Zimmer mit einer weiteren Familie zu teilen, um die Miete zahlen zu können. Sobald in jedem Haus fünfzig Menschen wohnten und der Vermieter keine Reparaturen durchführte, eskalierte die Situation, nach und nach entstand ein Slum. Die armen Teufel, die auch später keine Arbeit fanden, mussten sich mit den Bedingungen abfinden.«
    »Aber warum hält keiner die Vermieter auf, wenn sie die Armen ausnutzen?«
    »Vielleicht weil sie reich und mächtig geworden sind«, sagte er trocken. »Wenn jemand einmal kontrollieren würde, wem die Häuser gehören, würde sich herausstellen, dass viele von ihnen im Stadtrat und in anderen Positionen der Macht sitzen.«
    »Aber das ist kriminell!«, begehrte sie entsetzt auf.
    Giles zuckte die Schultern. »Das stimmt, doch wer sollte sie anklagen, Matty? Niemand, nicht einmal Menschen mit einer gewissen humanistischen Grundhaltung möchten die Leute aus Five Points nah bei ihren eigenen Wohnhäusern leben sehen. Dieser Ort ist gewissermaßen außer Sicht und bedrückt die meisten Bürger deshalb nicht. Viele denken, dass es der ideale Platz für das ›Strandgut‹ ist, das nicht arbeiten will oder kann.«
    »Nicht alle Leute in Five Points werden schlecht sein«, widersprach sie. »Fast jeder dort sieht krank und hungrig aus.«
    »Das sind sie, Matilda. Die Menschen, die du heute in Five Points gesehen hast, befinden sich auf der untersten Stufe der gesellschaftlichen Leiter. Sie haben nicht die Kraft oder den Willen, höher zu klettern. Du hast vielleicht bemerkt, dass die eine Hälfte der Menschen Schwarze sind, die andere besteht hauptsächlich aus Iren. Was glaubst du also, warum vor allem diese beiden Gruppen dort leben und keine Deutschen, Italiener oder Engländer?«
    Matilda zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.«
    »Die New Yorker würden schnell behaupten, dass gerade die Iren und Schwarzen eben von Natur aus besonders faul sind«, meinte er verächtlich. »Indem sie dies sagen, fühlen sie sich der Verantwortung für das enthoben,

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