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Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Titel: Lettie Peppercorn und der Schneehaendler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Gayton
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schiefgegangen sein: Ein dickes Rinnsal schlängelte sich unter der Perücke des Walrosses hervor und über die Stirn nach unten.
    »Es stimmt, es stimmt!«, brüllte die Glotzerin.
    Der Schneehändler stieß einen wütenden Schrei aus, der die alten Damen aus ihren Sesseln hochjagte. Das Walross griff unter die Perücke und holte eine Handvoll Schneediamanten heraus. Letties Schneediamanten.
    »Hey! Die gehören mir!«
    Sie hatte doch das Angebot der Glotzerin abgelehnt, zwei Mal! Und trotzdem hatte sich die alte Schachtel heimlich was von dem Schnee eingesteckt!
    »Ruhe!«, kläffte die Glotzerin, schaufelte mit einer Fingerspitze ein paar Schneediamanten auf und hielt sich die Hand dann ganz dicht vor die Augen. Lange, lange stierte sie ihren Finger an, und eine bedrohliche Spannung lag in der Luft. Alle im Raum waren wütend, am meisten aber der Schneehändler: Seine Zähne mahlten aufeinander, sein Gesicht hatte eine tödlich blaue Schattierung angenommen.
    »Was ist denn hier los?«, fragte Lettie. »Wieso haben Sie mich bestohlen?«
    Die Glotzerin schrie auf Bohemienisch auf, aber was immer sie sagte, sehr freundlich klang es nicht. Dann schnippte sie die Schneeflocken weg, als wären es Schmutzflusen, und selbst ohne dicke Brillengläser konnte Lettie erkennen, warum. Die Wirkung des Äthers war vorbei, die Schneeflocken schmolzen. Sie waren gar keine Diamanten gewesen, nur Wasser. Stinknormales gefrorenes Wasser.

8. Kapitel
    Folge den Frostspuren!

    »Schwindler!«, bellte das Walross und zerrte sich die gepuderte Perücke vom Kopf. Sie riss sie entzwei und warf sie in den Kamin. Unter der Perücke hatte sie Schneeflocken versteckt gehabt – die jetzt nur noch Matsch waren.
    »Scharlatan!«, knurrte die Glotzerin.
    »Ich ziehe die Bezeichnung ›Betrüger‹ vor«, entgegnete der Schneehändler und schob sich auf Lettie und die Tür zu. »Geh mir aus dem Weg, du nutzloses Gör!«
    Aber Lettie wich keinen Millimeter. Sie nahm ihren Besen von seinem Platz bei der Tür und warf einen grimmigen Blick in die Runde. »Es wäre besser, wenn mir jetzt irgendjemand erklärt, was gerade passiert ist. Sonst fange ich gleich an, alle mit dem Besen zu verdreschen.«
    »Die Diamanten sind geschmolzen«, sagte Noah und schüttelte ungläubig den Kopf. »Die waren gar nicht echt.«
    Lettie schaute auf die Wasserpfütze am Boden, die sich immer weiter ausbreitete. Tatsächlich: Sie war hereingelegt worden. Und schlimmer noch: Jetzt war sie wieder arm wie eine Kirchenmaus.
    Die Erkenntnis traf sie bis ins Mark.
    »Ich bin also betrogen und bestohlen worden«, sagte sie. »Wem soll ich jetzt zuerst den Besen über den Schädel ziehen?«
    »Den beiden da!«, rief der Schneehändler. »Das sind Diebinnen!«
    »Ihm hier!«, schrien das Walross und die Glotzerin wie aus einem Munde. »Er ist ein Lügner!«
    »Euch allen!«, rief Noah, und sofort verstummten alle. »Ihr beiden alten Schabracken seid einfach widerwärtig. Lettie hätte die Diamanten tausendmal nötiger gehabt als ihr. Sie hat Schulden abzuzahlen, neue Löffel zu kaufen und weiß der Himmel was noch alles. Und ihr habt ihr den Schnee nur gestohlen, um ihn als Schmuck zu tragen.«
    Lettie war genauso sprachlos wie alle anderen. Noch nie hatte sich jemand für sie stark gemacht. Aber Noah war noch nicht fertig.
    »Und Sie!«, wandte er sich an den Schneehändler. »Sie sind der Allerschlimmste. Sie haben Lettie falsche Hoffnungen gemacht. Sie haben ihr vorgegaukelt, der Schnee bestünde aus Diamanten …« Seine Stimme verebbte, er schüttelte angewidert den Kopf.
    »Wieso haben Sie mich reingelegt?«, fragte Lettie den Schneehändler.
    Die zwei gierigen alten Frauen konnte sie ja noch irgendwie verstehen, aber die Beweggründe des Schneehändlers waren für sie nicht nachvollziehbar.
    »Das war eine Prüfung«, erklärte er. »Und du hast versagt. Du bist mir zu nichts nutze. Ganze Meere habe ich auf der Suche nach dir überquert, und wofür? Für gar nichts! Ich dachte, du wärst etwas Besonderes, ich dachte, du würdest …« Er verstummte und starrte verbittert auf den schmelzenden Schneehaufen. »Ich hatte vorhergesehen, dass dies wahrscheinlich geschehen würde.«
    »Ach ja?«, keifte die Glotzerin. »Haben Sie das etwa auch vorhergesehen?«
    Mit einer ruckartigen Handbewegung zog sie eine kleine silberne Pistole unter ihrem Rock hervor. Sie entsicherte sie und richtete sie schussbereit auf den Schneehändler.
    »Was tun Sie denn da?!«, schrie Lettie

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