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Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Titel: Lettie Peppercorn und der Schneehaendler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Gayton
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Kopfes entlang und stippte einen zitternden Finger in den dampfenden Tee. Dann fiel sie mit einem Wump! , der das gesamte Haus auf seinen Stelzen erbeben ließ, ebenfalls in Ohnmacht.
    Lettie sah sich in ihrem Gasthaus um: Die Sessel waren zerbrochen, der Teppich ruiniert, die Bodendielen teedurchtränkt. Auf einmal zu Tode erschöpft, ließ Lettie den Besen fallen. Es würde ewig dauern, alles wieder in Ordnung zu bringen.
    »Was hattest du dich auch einzumischen?!«, keifte der Schneehändler.
    Lettie schnappte nach Luft. »Einzumischen? Ich wollte verhindern, dass Sie sich gegenseitig umbringen!«

    »Mit den beiden wäre ich prima auch ohne deine Hilfe fertig geworden, danke schön!«, gab er zurück. »Ich brauche keinen Lehrling.«
    »Ich bin auch nicht Ihr Lehrling!«, schrie Lettie. »Ich bin hier die Gastwirtin, und als solche schmeiße ich Sie jetzt raus! Da ist die Tür!«
    Das Gesicht des Schneehändlers war schwarz und runzelig vor Zorn. »Ich bin froh, wenn ich dich los bin. Du bist genauso nervig wie deine Mutter!«
    Die Worte trafen Lettie schlimmer, als jede Pistolenkugel es vermocht hätte.
    »Was haben Sie gerade gesagt?«, flüsterte sie.
    Hatte sie ihn eben richtig verstanden? Immerhin klingelten ihr immer noch die Ohren von dem ganzen Krach vorhin.
    Aber sie hatte ihn richtig verstanden.
    »Sie haben meine Mutter gekannt?«, wisperte Lettie.
    »Ja, habe ich«, sagte der Schneehändler. »Aber jetzt muss ich gehen.«
    Es war, als hätte er ihr den Brocken mit Absicht hingeworfen, um sie zu ärgern. Und es hatte funktioniert. Als er sich zum Gehen wandte, schnellte Lettie wie ein Fisch am Haken nach vorn.
    »Nein, warten Sie!«, schrie sie und wünschte, sie hätte ihm nie die Tür gewiesen. »Bleiben Sie!«
    Aber der Schneehändler hatte nicht vor zu bleiben. Aalglatt schob er sich zum Ausgang und sprang hinaus. Lettie rannte zur Tür und sah nach unten, in der Erwartung, ihn mit verdrehten Gliedern am Boden liegen zu sehen. Doch irgendwie hatte der Schneehändler es geschafft, auf seinem Koffer zu landen. Jetzt hoppelte er die Essiggasse entlang, Finger und Zeh immer noch in den Löchern, aus denen kleine blaue elektrische Blitze drangen.
    »Er will zum Hafen!«, sagte Noah. Sein Stängel brachte auf einmal eine strahlend rote Blüte hervor.
    »Er hat meine Mutter gekannt!«, rief Lettie.
    »Er will mein Boot stehlen!«, rief Noah.
    Lettie sah erst zum Walross – der Tee hatte sich auf den Teppich ergossen und vermischte sich mit dem Schneematsch. Dann blickte sie zur Glotzerin – ihr Arm mündete in einen Haufen Schillingmünzen. Schließlich schaute Lettie Noah an, und er erwiderte ihren Blick.
    Und sie riefen beide wie aus einem Munde: »Hinterher!«
    Aber als sie hinausstürmen wollten, fiel Letties Blick auf die Botschaft ihrer Mutter.
    Setz nie einen Fuß auf den Boden Albions, es könnte dich das Leben kosten.
    »Ich kann nicht mit, Noah. Die Nachricht …«
    »Du hast aber keine andere Wahl, Lettie!«
    »Ich kann mein Versprechen nicht brechen«, beharrte Lettie. »Das ist das Einzige, was meine Mutter und mich verbindet!«
    »Du musst, Lettie. Du musst einfach! Du darfst dich nicht von einem Zettel, der irgendwann vor Jahren an die Wand genagelt wurde, davon abhalten lassen. Der Schneehändler ist es, der dich mit deiner Mutter verbindet! Er kann dich vielleicht zu ihr führen!«
    Noah hatte recht. Wenn Lettie zu Hause blieb, würde sie nie erfahren, warum ihre Mutter verschwunden war. Seit Jahren hatte sie sich an diese Botschaft geklammert, die über der Tür an der Wand hing. Aber jetzt hatte sie eine Spur, der sie folgen musste. Einen Hinweis, der ihr vielleicht helfen würde, das Geheimnis zu lüften. Es war besser, das Risiko einzugehen, als den Schneehändler entkommen zu lassen.
    »Du brichst dein Versprechen doch gar nicht. Du verbiegst es höchstens ein bisschen«, drängte Noah.
    Mehr brauchte Lettie nicht.
    »Ja, du hast recht.« Sie riss sich die Schürze herunter, griff nach ihrer Wildlederjacke, band sich die Stiefel zu und steckte die Hände entschlossen in ihre Fäustlinge. »Gehen wir!«
    »Meine Hand …«, murmelte die Glotzerin.
    »Mein Kopf …«, jammerte das Walross.
    Während die zwei alten Frauen sich zu regen begannen, kletterte Lettie die Leiter hinunter und sprang auf den Boden. Sie hatte beinahe damit gerechnet, auf der Stelle tot umzufallen, aber nichts geschah. Schockstarr stand Lettie da. War das mit der Gefahr, die Albion für sie bedeuten

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