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Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Titel: Lettie Peppercorn und der Schneehaendler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Gayton
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entsetzt.
    »Ruhe! Ich brauche Ruhe zum Zielen!«, kreischte die Glotzerin und kniff ein Auge zu.
    »Ich wusste zwar, dass Sie zwei widerliche alte Krähen sind, aber dass Sie auch noch morden würden, das hätte ich nicht gedacht! Jetzt reicht’s mir aber!« Lettie riss den Besen hoch und wedelte damit bedrohlich vor den beiden alten Frauen hin und her. »Raus hier! Ich …«
    Auf einmal schwenkte der Lauf der Waffe vom Schneehändler zu Lettie um.
    »Du bist ein außerordentlich lästiges Mädchen!«, sagte die Glotzerin.
    »Sie können mich nicht umbringen«, sagte Lettie und umklammerte ihren Besen. »Ich bin erst zwölf!«
    »Ich will dich auch gar nicht umbringen«, erwiderte die Glotzerin. »Nicht, wenn ich es vermeiden kann.«
    »Was wollen Sie dann?«
    »Das ist doch offensichtlich.« Der Schneehändler kicherte. »Sie will die Schneewolke.«
    »Natürlich will ich die!«, brüllte die Glotzerin und richtete die Pistole wieder auf den Schneehändler. »Diese Schneewolke ist unglaublich! Faszinierend! Aus den Diamanten könnte ich Schmuck herstellen, der jedes Kaiserinnenherz zum Schmelzen bringt!«
    »Aber sie sind doch gar nicht echt!«, wandte das Walross ein. »Schlimmer als Zirkoniasteine.«
    »Aber doch nur weil sie schmelzen, du hirnloses Weib!«, stieß die Glotzerin hervor. »Wir aber sind auf dem Weg in den Norden, an einen Ort, an dem es kälter ist als hier!«
    »Wenn wir die Wolke nach Laplönd schaffen könnten … könnten wir also Schnee erzeugen, der niemals schmilzt«, sagte das Walross langsam, als würde sie erst jetzt verstehen. »Nicht in zehntausend Jahren!«
    »So funktioniert Alchemie aber nicht«, sagte der Schneehändler. »Ihr versteht das Problem nicht.«
    »Ach, da findet sich sicher eine Lösung.« Die Glotzerin zuckte mit den Schultern. »Wir sind reich. Wir kriegen alles, was wir wollen …«
    »… und wir wollen die Schneewolke«, brachte das Walross den Satz zu Ende.
    »Aber man kann Schneeflocken nicht tragen «, wandte Noah ein. »Die könnte man nie zu Ringen oder Halsketten verarbeiten, sie würden auf der Stelle schmelzen.«
    »Nicht wenn ich jeden Tag einen Tropfen Äther nehme«, sagte das Walross. »Und den Preis bezahle ich gern für meine Schönheit.«
    Lettie fröstelte und verzog das Gesicht. Diese Frau nahm in Kauf, den Rest ihres Lebens frierend zu verbringen, nur um Diamanten tragen zu können!
    »Sie sind doch verrückt, alle beide!«, rief sie.
    Aber die Frauen ignorierten sie und starrten nur mit aufgerissenen Augen auf den Koffer des Schneehändlers. Da wurde Lettie klar, wie recht sie hatte. Die beiden waren wirklich verrückt, ja geradezu besessen. In ihren Augen funkelte derselbe Wahnsinn, den Lettie in den Augen ihres Vaters sah, wenn er abends zu seinen Wetten aufbrach.
    Eine Art Hunger, als klaffe da eine Lücke, die niemand jemals schließen könnte.
    Habgier , dachte Lettie. Die Habgier hat sie gepackt und lässt sie nicht mehr los. Sie werden nie wieder aufhören, den Schnee für sich haben zu wollen.
    »Geben Sie mir den Koffer!«, sagte die Glotzerin zum Schneehändler.
    »Und den Äther«, fügte das Walross hinzu. Ihr Mehrfachkinn bebte vor Aufregung.
    »Das werde ich nicht tun«, sagte der Schneehändler achselzuckend.
    »Dann erschieße ich Sie und nehme mir den Koffer!«
    Die Pistole machte ein Geräusch, und obwohl Lettie noch nie im Leben eine Waffe gesehen hatte, wusste sie sofort, was das Geräusch verursacht hatte: eine Kugel, die in ihre Kammer gerutscht war, bereit zum Abschuss …
    Letties Herz setzte einen Schlag aus, ihre Knie gaben beinahe nach. Sie wusste, sie musste unbedingt eingreifen und verhindern, dass sich ihre Gäste gegenseitig umbrachten. Aber wie?
    »Jetzt haben Sie keine Wahl«, krächzte die Glotzerin. »Sie sitzen in der Falle!«
    »Die Situation kenne ich bereits«, gab der Schneehändler gelassen zurück. Er umklammerte den Koffergriff so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. »Betrüger wie ich sind es gewohnt, immer mal wieder ganz schnell die Beine in die Hand nehmen zu müssen.«
    »Dazu werde ich Ihnen aber keine Gelegenheit lassen!«, schrie die Glotzerin. »Au revoir!«
    Der Schneehändler duckte sich.
    Aber die Glotzerin hatte es gar nicht auf ihn abgesehen.
    Sie drückte den Abzug der silbernen Pistole, und ein fürchterlicher Knall ertönte. Die Glotzerin wurde vom Rückstoß nach hinten und gegen das Walross geschleudert. Gemeinsam purzelten die zwei Frauen über den Lehnsessel und den

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