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Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Lettie Peppercorn und der Schneehaendler

Titel: Lettie Peppercorn und der Schneehaendler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Gayton
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nicht?
    »Lettie Peppercorn!«, zischte sie. »Jetzt hör auf, dir Sorgen zu machen, und tu was Sinnvolles!«
    Und das tat sie dann auch – sie spülte das Geschirr. Das lenkte sie zumindest eine Weile von ihren Füßen ab. Sie schrubbte die schmutzigen Schalen und dachte dabei an Periwinkle. Da erst wurde ihr klar, wie sehr sie ihn vermisste. Jetzt hätte sie ihm so viel zu erzählen! Vom Schnee, von ihrem Spaziergang übers Wasser, von ihrem neuen Freund Noah … Und weil sie nicht mit Peri reden konnte, fing sie an, ihrem Vater alles zu erzählen, der in Gestalt einer Flasche auf dem Regal über dem Ofen stand.
    »Noah ist genauso unordentlich wie du, Papa. Schau dich bloß mal hier um. Aber er kann sehr gute Suppen kochen.«
    Sie sah zum Regal hoch und erinnerte sich daran, wie ihr Vater am Steg gesessen hatte. Wie so oft hatte sie gedacht, er würde mal wieder nur Unsinn erzählen. Aber vielleicht hatte in seinem ganzen Gelalle doch ein Körnchen Wahrheit gesteckt.
    »Tut mir leid, dass ich mein Versprechen gebrochen habe, Papa. Ich versteinere – kommt das davon, dass ich den Boden berührt habe?«
    Aber ihr Vater, die Flasche, stand nur stumm auf dem Regal.
    »Also, zumindest kannst du jetzt aufatmen. Man kann bis zum Horizont gucken, und da ist nirgends Land in Sicht.«
    Sie räumte die Teller weg, schüttelte das Bett auf und goss den Singsang-Strauch. Dann tigerte sie rastlos im Raum hin und her. Lettie war es nicht gewohnt, der Gast zu sein. Sie war sich nicht sicher, ob ihr die Rolle gefiel. Sie war Gast, weil Noah auf der Leuthas Holz der Gastgeber war. Er konnte steuern, komplizierte Knoten knüpfen und die Segel setzen. Für Lettie waren gar keine Aufgaben mehr übrig, stellte sie erschrocken fest. Und so entschied sie, sofort an Deck zu gehen und Noah aufzufordern, ihr Aufgaben zuzuteilen.
    Aber dann hielt sie inne.
    Lettie Peppercorn, um Himmels willen, was machst du denn da?
    Zum allerersten Mal in ihrem Leben musste Lettie sich um niemand anderen kümmern als um sich selbst! Da waren keine Gäste, die sie bewirten musste. Kein Vater, den sie schelten, kein Peri, den sie füttern musste.
    Sofort fühlte sie sich leichter. Und sie freute sich. Sie war zu einem Abenteuer aufgebrochen. Und zum ersten Mal fühlte sie sich wie zwölf Jahre alt, nicht wie zwölfhundert.
    »Was soll ich bloß mit mir anfangen?«, murmelte Lettie. »Ich hab’s! Ich geh raus und schau mir die Sterne an.«
    Aber vorher flüsterte sie ihrem Vater noch etwas zu – dass sie zwar steinkrank und voller Heimweh war, ratlos und voller Angst, aber dass unter all dem noch ein anderes Gefühl lag: Lettie war glücklich.
    An Deck war die Nacht bitterkalt und klar wie Kristallglas.
    »Ich liebe die Sterne«, sagte Lettie und sah hoch. Sie spürte, wie sie im Einklang mit dem Boot hin und her schwankte. »Wenn man zu ihnen hochschaut, vergisst man alles andere um sich herum.«
    Auch Noah betrachtete gerade die Sterne. Er hatte die Karte mit den Sternbildern an Deck ausgebreitet und mit Dornen von seinem Stängel im Holz verankert.
    »Daran hat mich der Schnee erinnert, als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe«, sagte Blüstavs körperlose Stimme irgendwo über ihnen. »An Sterne.«
    »Nein, das stimmt nicht«, widersprach Lettie. »Er hat Sie an Diamanten erinnert, und Sie haben nur daran gedacht, reich zu werden. Warum lügen Sie eigentlich immer so schamlos?«
    »Tu ich gar nicht«, wehrte Blüstav ab.
    Etwas beunruhigte Lettie – ihre Nase … Da lag ein salziger Geruch in der Luft, der sie nervös machte. Aber was genau …?
    »Ich muss dir etwas sagen«, sagte Blüstav.
    »Ruhe.« Lettie versuchte sich auf ihre Nase zu konzentrieren. »Ich ignoriere Sie.«
    »Dann bist du aber ganz schön dumm, es ist nämlich wichtig.«
    »Riechst du auch was?«, wandte sich Lettie an Noah, aber der war immer noch in seine Karten vertieft.
    »Ich habe gerade den Längengrad unserer Position bestimmt«, verkündete er.
    Lettie schnupperte wieder in der salzigen Luft. Ja, der Duft war immer noch da, und er wurde stärker. Und er hatte einen metallischen Anklang, den sie beinahe schmecken konnte. Unruhig rutschte sie hin und her. Warum hatte sie auf einmal Angst?
    »Was ist hier los?«, murmelte sie vor sich hin.
    »Wir sind ziemlich weit nördlich«, sagte Noah. »Ziiiemlich weit nördlich.«
    »Wir sind in einem Walfang-Gebiet«, sagte Blüstav. »Ich sagte Walfang-Gebiet. «
    Und da wurde Lettie schlagartig klar, wonach es roch: nach

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