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Letzte Beichte

Letzte Beichte

Titel: Letzte Beichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
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die kleine Trittleiter, die mitten in der Küche stand, und fluchte. Warum hatte Chas sie heute Morgen benutzt? Ich klappte sie auf und stellte mich darauf. Ich griff über die Blende an der staubigen Oberseite des Hängeschrankes und fühlte den Plastikbehälter, in dem ich vor einigen Tagen zwei Zigarettenschachteln mit Drogen versteckt hatte. Päckchen, die ich zur Polizei bringen würde, ehe ich zu der Vernissage ginge. Ich holte die Kiste herunter und schaute hinein.
    Es war nichts drin.

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52
    Chas war früher am Tag in der Wohnung gewesen. Er hatte genug von den Albernheiten. Tagelang hatte er nicht mit seiner Seelengefährtin gesprochen – aus welchem Grund? Ein blöder Versuch, ihn eifersüchtig zu machen? Das Foto war lächerlich – Danny fühlte sich unwohl und wollte sich losmachen, und Krissie versuchte aus den Augenwinkeln zu sehen, ob Chas auch zuschaute. Darüber hatte er sich keinen Augenblick lang Sorgen gemacht. Aber ihr sprunghaftes Verhalten hatte ihn wahnsinnig gemacht. Und er musste sich auf seine Ausstellung vorbereiten. Er konnte es sich nicht leisten, diese Riesenchance zu verbocken.
    Er hatte entschieden, dass ein paar Tage Auszeit das Beste für sie beide seien. Denn obwohl er kein Macho war, sehnte sich Chas danach, für seine neue Familie finanziell sorgen zu können. Er war viel zu lange herumgereist und hatte seine Zeit vergeudet. Er hatte auch entschieden, dass er gern heiraten würde. Hatte es von dem Moment an gewusst, als er sie in dem aufgerüschten Kleid gesehen hatte, das immer noch im Schlafzimmer hing. Sie hatte fabelhaft ausgesehen: eine Braut in weißem Flaum. Er würde sie heiraten.
    Er hatte vorgehabt, ihr bei der Party einen Antrag zu machen. Er hatte sich ausgemalt, wie es wäre, Kinder mit ihr zu haben. Ein Haus mit Garten, das war etwas anderes als eine Wohnung im vierten Stock, ohne Fahrstuhl und mit neugierigen, lärmenden Nachbarn. Er wollte mit seiner Familie am Wochenende nach Rom fliegen oder den Sommer in einem fremden sonnigen Land verbringen. Er wollte sesshaft werden. Langweiliges, sesshaftes Familienleben, das war es, was er wollte, und dashieß, dass er Geld verdienen musste. Und wenn er mit der Malerei kein Geld verdienen konnte, dann würde er einen anderen Weg finden müssen.
    Er roch den kalten Rauch und öffnete seufzend das Fenster. Krissie hatte vor Jahren mit dem Rauchen aufgehört. Was zum Teufel tat sie da? Er kannte ihr Versteck, holte die Trittleiter, stieg hoch und tastete auf dem Hängeschrank herum. Er war überrascht, die Fotos in dem Behälter zu finden – mit dem Speed und dem Dope. Und er war auch überrascht, den Drohbrief von seinem Freund Billy zu finden. Aber am meisten überraschte es ihn, zwei mit weißem Pulver gefüllte Zigarettenschachteln zu finden.
    Verdammt, was hatte sie durchmachen müssen? Wie hatte er so selbstsüchtig sein können, dass er nichts bemerkt und ihr nicht geholfen hatte? Er schüttelte den Kopf, und dann rannte er zu Billys Wohnung.
    Wenn Chas das nicht getan hätte, wenn er die Sache nicht selbst zu regeln versucht hätte und zu Billys Wohnung gerannt wäre, dann wäre ihm nichts passiert. Dann hätte er es vermutlich pünktlich zur Vernissage geschafft.

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53
    Robbie und ich trafen in der völlig überfüllten Galerie ein.
    In meiner Selbstbezogenheit war mir gar nicht klar gewesen, was für eine große Sache die Vernissage werden würde.
    Chas hatte den ganzen Raum für sich. Im Schaufenster hingen Plakate, auf denen sein ehrliches Gesicht die Welt mit einem verhaltenen Lächeln bedachte. Seine Eltern waren da, meine Eltern waren da, und die meisten Leute, die Zeuge geworden waren, wie ich mich auf der Party zur Idiotin gemacht hatte, waren auch da. Ich trat eine kleine Entschuldigungsrunde an, bis Robbie »Papa!« schrie und auf das Plakat im Eingang zeigte. Dann zerrte er mich in die Ausstellung – drei ineinander übergehende weiße Räume voller gut ausgeleuchteter Leinwände.
    Ich ließ mich auf einen Stuhl mitten im Raum fallen und starrte die Bilder an.
    Auch Danny saß da, und wir waren beide still, während wir die Atmosphäre in uns aufsogen.
    Robbie rannte von einem Bild mit rotem Aufkleber zum nächsten und rief: »Schau, Mami! Mami guckt hinter dem großen Fels hervor … Mami! Mami, du schwimmst in dem dunklen See. Schau, Mami, du bist auf einer Wolke! Und in dem Dreieck, dem Schnee, den Blättern, dem großen Glasturm! Mami, du bist überall! Schau!«
    Menschen gingen

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