Letzte Beichte
Oder drei … Charlie, Rachel und Anna. Trotz ihrer Nervosität lächelte sie, als sie in Krissies Auto stieg. Auf dem Beifahrersitz lag ein Geschenk, und ihr Lächeln verschwand, als sie sich fragte, was wohl die Steuerzahler dazu sagen würden, dass sie soeben für ein nutzloses Hochzeitsgeschenk bezahlt hatten.
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48
Jeremy, der die Nachricht von seiner Entlassung erhalten hatte, ging überglücklich auf den Beichtstuhl zu. Pater Moscardini war ihm ein Freund geworden, oder zumindest ein zuverlässiger Vertrauter. Er mochte ihn. Er war nicht herablassend oder mies, nannte ihn nicht einen »Körper« und das Mittagessen »Fütterungszeit«. Er behandelte ihn wie ein menschliches Wesen.
Das letzte Mal hatte Jeremy den Priester vor einer Woche zur Mittagszeit gesehen. Das war an einem Freitag gewesen, und Freitag bedeutete »Glückskübel«. Es war unglaublich, wie sehr dieses zusätzliche Gericht auf dem Speiseplan die Männer in Halle C begeistern konnte. Aber dass sie mehr als die üblichen Krankenhausportionen bekamen – einen Kübel mit den Resten der Woche: gebackenen Bohnen, Fischstäbchen, Frikadellen, Pommes Frites und Curryreis, alles in einem Gefängniskessel zu einem warmen Brei verrührt –, begeisterte Jeremy nicht im Geringsten. Ihm wurde regelrecht übel davon. Stattdessen hatte Jeremy sich ein Brötchen genommen, und der Priester hatte ihn verständnisvoll angelächelt.
»Wie geht es Ihnen?« hatte Pater Moscardini gefragt.
»Gut«, hatte Jeremy gelogen, und der Priester war ihm zu seiner Zelle gefolgt.
Seit sein letzter Kopilot weitergezogen war – nach oben, zu den Verurteilten –, hatte Jeremy die Zelle für sich allein. Er war verängstigt gewesen: Würde er damit zurechtkommen, wenn man ihn rausließe? Was würde danach geschehen? Pater Moscardini hatte stundenlang mit ihm geredet, anfangs über Sport und Musik, dann über das Reisen und die Liebe.
»Aus dem, was Sie während der letzten Wochen erzählt haben«, hatte der Priester gesagt, »schließe ich, dass Sie ein Romantiker sind. Sie lieben mit allem, was Sie haben, und Sie geben alles, was Sie haben. Daran ist nichts Falsches. Sie werden über diese schreckliche Zeit hinwegkommen, aber zuerst müssen Sie über das hinwegkommen, was Ihnen als kleiner Junge widerfahren ist. Kommen Sie noch einmal zur Beichte. Lassen Sie sich diesmal nicht abschrecken.«
»Aber es macht mir nun einmal Angst«, hatte Jeremy gesagt. »Ich werde darüber nachdenken.«
Das war vor einer Woche gewesen. Jetzt war er frei und stand kurz davor, mit dem richtigen Leben konfrontiert zu werden. Er wusste, dass er die Mauern dieses Gefängnisses nicht hinter sich lassen konnte, ohne Pater Moscardini ein letztes Mal zu sehen.
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49
Eine Sache muss ich klarstellen: Ich habe niemals mit Jeremy geflirtet.
Nachdem Amanda und ich an jenem Nachmittag nach Sandhill gefahren waren, um ihn abzuholen, bin ich all meine Befragungsprotokolle haarklein durchgegangen, und ich bin mir ganz sicher, dass ich niemals mit ihm geflirtet habe.
Als ich ihn das erste Mal traf – kurz nachdem ich den Auftrag erhalten hatte, ein Gutachten über ihn zu schreiben –, sprach er mit mir über London und darüber, wie er Amanda in einer Bar kennengelernt hatte, wie sie zusammengezogen waren und zu heiraten beschlossen hatten. Er hatte mir von Bella erzählt. Um eine Vertrauensbasis zu schaffen, hatte ich ihm von Chas erzählt. (Scheiße, zu viel Privatkram – sollte mir merken, gegenüber Klienten keine persönlichen Informationen preiszugeben.) Aber letztlich hatte diese Information, wenn sie denn überhaupt etwas bewirkt hatte, lediglich klargestellt, dass ich bereits vergeben war. Das redete ich mir zumindest später am Abend ein.
Dann die zweite Befragung, als er gerade verprügelt worden war. Das war die »Sie-können-mir-alles-sagen-Befragung« gewesen. Nichts Unangemessenes.
Die dritte, als er mir gesagt hatte, dass er in Gefahr sei, dass wir beide in Gefahr seien.
Dann in der Selbstmörderzelle, nachdem er versucht hatte, sich zu erhängen. Da hatte ich hauptsächlich zugesehen, wie er und Amanda sich umarmten.
Als ich ihn das nächste Mal sah, erzählte ich ihm von Billy und den Drogen, und dass mein Kleiner in Gefahr sei.
Das sechste und letzte Mal war, als ich ihm sagte, dass Chas mich verlassen habe.
Verdammt, ich hatte dem Typen sechs Besuche abgestattet – für ein Gutachten, das gerade mal eine halbstündige Befragung erforderte. Und ich hatte bis
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