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Letzte Bootsfahrt

Titel: Letzte Bootsfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Dutzler
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sehr großen Hut, der ihr Gesicht nahezu verbarg, auf den Tisch zugetreten war, den der Sepp vor seinem Hendl­wagen aufgestellt hatte. „Ein Viertel, wenn’s recht ist, und tun’S mir’s schön zerteilen!“ „Selbstverständlich, Frau Haberl. Wenn die Herrschaften warten wollen?“, sagte er mit einem Seitenblick auf die Frau Doktor. Die erhob keine Einwände, weil gerade ihr Handy läutete. Sie trat ein paar Schritte vom Stand weg, kramte in ihrer Handtasche nach dem Gerät und hielt es ans Ohr.
    Gasperlmaier beobachtete den Sepp, wie er zuerst den langen Grillspieß, an dem sechs Hühner hingen, aus seiner Verankerung löste, um das sechste und letzte, das schon dunkelbraun war, herunterzuholen. Liebevoll halbierte und viertelte er es und schnitt anschließend noch die Unter- und Oberkeule von dem Viertel für die Frau Haberl. Die drei Stücke schlug er in Wachspapier ein, legte eine vorbereitete Plastikdose mit Erdäpfelsalat dazu und packte alles in einen Plastiksack. „Pfüat Ihnen!“, sagte die Frau Haberl, musterte Gasperlmaier mit einem argwöhnischen Blick und wechselte die Seite, um sich am gegenüberliegenden Gemüsestand in die Warteschlange einzureihen. „Die Frau Haberl kommt immer als Erste. Da muss ich natürlich ein Hendl fertig haben. Dass ich das schon gestern gegrillt habe, kann ich ihr nicht sagen – aber was soll’s, sie hat sich noch nie beschwert, und frisch machen kann ich’s bis um diese Zeit nicht.“ Der Sepp lachte, wandte sich um und nahm einen großen Schluck aus einer Wasserflasche, die er in der Nähe des Grills postiert hatte. Musste scheußlich schmeckten, dachte Gasperlmaier.
    „Wir möchten Sie zu den beiden Morden an Ferdinand Breitwieser und Dr. Schwaiger befragen.“ Die Frau Doktor hatte ihr Telefongespräch beendet und war wieder zu ihnen getreten. Der Manzenreiter Sepp zuckte mit den Schultern, doch Gasperlmaier fiel auf, dass er gleichzeitig nervös um sich blickte. „Dazu weiß ich nichts, kann ich nichts sagen!“, antwortete er. Gasperlmaier kam vor, als sei seine Stimme plötzlich heiser geworden. „Lasst’s mich doch einfach in Ruhe!“, fügte er noch hinzu.
    „Die verstorbene Frau Voglreiter“, setzte die Frau Doktor nach, „soll vor langer Zeit, in ihrer Jugend, einmal wochenlang verschwunden sein. Wir vermuten, dass da ein einschneidendes Erlebnis dahintersteckt. Sie haben sie ja auch damals schon gut gekannt.“ Der Sepp lachte, ein wenig verlegen, wie es Gasperlmaier schien. „Und jetzt erwarten Sie, dass ich mich daran erinnere, was vor fünfzig Jahren geschehen ist.“ Der Sepp öffnete die hintere Tür seines Lieferwagens und holte aus einer Kühlbox ein frisches, ganz blasses Grillhendl heraus. Er warf es auf den Tisch und schüttete ausgiebig Grillgewürz aus einer Dose drauf. Obwohl die Hendln bereits verführerisch dufteten, erinnerte sich Gasperlmaier beim Anblick des Gewürzes daran, dass ihn die Christine vor solchem Geflügel gewarnt hatte. Alle möglichen künstlichen Geschmacksverstärker und Chemikalien seien da drinnen, hatte sie gemeint, und wir würden uns alle noch einmal wundern, wie wir daherkommen würden, wenn wir nur mehr so künstlich gewürztes Zeug in uns hineinstopften. Gasperlmaiers Appetit ließ nach.
    „Ich kann mich ja nicht einmal mehr daran erinnern, was ich gestern im Fernsehen gesehen habe!“, bemühte sich der Sepp um einen Witz, schob das blasse Hendl auf den Grillspieß und hängte ihn wieder ein. Gasperlmaier begann in der Hitze vor dem Grill zu schwitzen. Er hoffte inständig, dass ihn nicht die in rascher Folge beschlossenen Pensionsreformen einmal dazu zwingen würden, mit siebzig jeden Tag auf irgendeinem Wochenmarkt zu stehen, so wie der Manzenreiter Sepp.
    Die Frau Doktor trat ein wenig näher an den Sepp heran und hob die Augenbrauen. „Das ist hier kein Witz, Herr Manzenreiter. Zwei Ihrer Freunde sind gestorben. Und möglicherweise gibt es da einen Zusammenhang mit dem, was damals geschehen ist, als Sie alle zusammen waren. Nach allem, was wir wissen, könnten Sie auch gefährdet sein. Sie täten also gut daran, mit uns zusammenzuarbeiten.“ Auch der Sepp schwitzte jetzt. Ob wegen des Grills oder weil ihn die Frau Doktor in die Mangel nahm, das konnte Gasperlmaier nicht entscheiden. „Ich bin kein Freund von denen gewesen!“, schnaufte er. „Ich war ja nicht einmal in der gleichen Klasse! Und außerdem war ich ja damals schon in der Saline, arbeiten! Und der Schwaiger Michl, der war im

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