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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Während ich darauf wartete, daß er sie zur Ruhe bettete, sammelte ich den Inhalt der Kramschublade wieder ein und schob die Lade wieder an ihren Platz. Ich richtete Rays Stuhl auf und ließ mich schließlich auf Hände und Füße hinab, um nach Gilberts Pistole zu suchen. Wohin war das verdammte Ding verschwunden? Ich reckte mich wie ein Präriehund, musterte die Stelle, wo er gestanden hatte, und versuchte zu ermessen, wie die Flugbahn wohl verlaufen sein mußte, als die Waffe durch den Raum geflogen war. Indem ich mir vorsichtig meinen Weg durch die Glasscherben bahnte, kroch ich zur nächstgelegenen Ecke und arbeitete mich an der Fußleiste entlang. Ich fand die Waffe schließlich, eine Colt-Pistole, Kaliber 45 mit Automatik und Walnußgriff, die hinter dem Eastlake-Schränkchen klemmte. Ich angelte sie mit einer Gabel hervor, wobei ich versuchte, keine frischen Fingerabdrücke zu verwischen. Wenn die Polizei von Louisville Gilbert überprüfte, könnte ja ein offener Haftbefehl gegen ihn auftauchen und ihnen einen Grund für seine Verhaftung liefern — natürlich nur, wenn sie ihn finden konnten.
    Ich legte die Pistole auf den Küchentisch und ging auf Zehenspitzen zur Schlafzimmertür. Ich klopfte, und einen Moment später öffnete Ray die Tür einen Spaltbreit. »Wir müssen die Polizei anrufen«, sagte ich. Ich wollte an ihm vorbei zum Telefon schlüpfen, aber er legte mir eine Hand auf den Arm.
    »Tun Sie das nicht.«
    »Warum nicht?« Seiner Mutter zuliebe, die für den heutigen Tag genug mitgemacht hatte, sprachen wir mit leiser Stimme.
    »Passen Sie auf, ich komme in einer Minute heraus, sowie sie eingeschlafen ist. Wir müssen miteinander reden.« Er wollte die Tür schon wieder schließen.
    Ich legte meine Hand auf die Tür. »Was gibt’s denn da zu reden? Wir brauchen Hilfe.«
    »Bitte.« Er hielt eine Hand in die Höhe und nickte, um zu bekräftigen, daß wir das gleich besprechen würden. Dann drückte er mir direkt vor der Nase die Tür zu.
    Widerwillig kehrte ich in die Küche zurück, um auf ihn zu warten. Ich fand Besen und Kehrschaufel hinter der Tür zum Geräteraum und rückte der Unordnung zu Leibe. Irgend jemand war durch die zerbrochene Schüssel mit den Süßkartoffeln spaziert. Überall waren kleine, kartoffelige Fußabdrücke, wie von Hundekacke. Ich holte den Abfalleimer unter der Spüle hervor und begann vorsichtig Glas- und Porzellanscherben aufzusammeln. Mit einem feuchten Papierhandtuch wischte ich den Rest der verschütteten Masse auf.
    Spüle und Arbeitsfläche waren dort mit Glasscherben übersät, wo das Fenster durch den Schuß zersprungen war. Ich konnte nicht fassen, daß die Nachbarn nicht angelaufen gekommen waren. Nun blies kalte Luft herein, aber dagegen konnte ich nichts tun. Ich zerrte den Uralt-Staubsauger hervor und befestigte die Polstermöbeldüse am Schlauch. Dann stellte ich ihn an und verbrachte mehrere Minuten damit, jede Scherbe in Sichtweite aufzusaugen. Zwischen Jagen und Gejagtwerden hatte ich, seit ich von zu Hause weggefahren war, nichts anderes getan, als Staub zu wischen und zu saugen. Einmal legte ich mein Ohr an die Schlafzimmertür und hätte schwören können, daß Ray telefonierte. Aha. Vielleicht hatte er schließlich doch auf meinen Rat gehört.
    Ray kam in die Küche zurück und schloß die Schlafzimmertür hinter sich. Er ging direkt in die Speisekammer, holte eine Flasche Bourbon heraus, stellte zwei kleine Marmeladengläser auf den Tisch und schenkte uns beiden einen steifen Drink ein. Er reichte mir ein Glas und stieß dann mit seinem dagegen. Während ich meines noch beäugte, legte er den Kopf nach hinten und kippte seinen Drink in einem Schluck. Ich holte tief Luft und schüttete mir meinen die Kehle hinunter, ohne auf das bösartige Feuer vorbereitet zu sein, das meine Speiseröhre attackierte. Ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg, während in meinem Magen die Flammen aufloderten. Danach merkte ich, wie sämtliche Anspannung von mir wegtrieb wie Rauch. Ich schüttelte den Kopf und schauderte, als sich ein Wurm des Ekels meinen Körper hinabwand. »Igitt. Ich hasse das Zeug. Ich könnte nie zur Säuferin werden. Wie bringen Sie es fertig, das einfach so hinunterzustürzen?«
    »Das braucht Übung«, sagte er. Er goß sich ein weiteres Glas ein und kippte es dem ersten hinterher. »Das ist etwas, was ich im Gefängnis vermißt habe.«
    Er entdeckte den Colt, den ich auf den Tisch gelegt hatte, nahm ihn wortlos in die Hand und

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