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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Kapitel fünf, Vers fünfzig«, schlug ich vor.
    »Matthäus fünf ist die Bergpredigt. Die hat keine fünfzig Verse, sondern nur achtundvierzig.« Er sah mich an und lächelte verlegen. »Das ist das zweite, was ich im Gefängnis gemacht habe, außer mich in puncto Verbrechen schlau zu machen. Ich habe jeden Montagabend an einer Bibelgruppe teilgenommen.«
    »Sie sind ein äußerst erstaunlicher Mann.«
    »Das will ich hoffen«, meinte er.
    Ich drehte die Karte um und studierte die Schwarzweiß-Fotografie, die vorne aufgeklebt war. Sie zeigte das ausgebleichte Bild eines Friedhofs im Schnee. Ich zupfte an der losen Kante und spähte auf die vorgefertigte Karte darunter. Der Abzug war über ein kommerzielles Standardfoto von einem Sonnenuntergang am Meer geklebt worden. Ich zog ihn ab und musterte in der Hoffnung auf irgendeine handschriftliche Mitteilung seine Rückseite. Der Abzug selbst maß zehn mal fünfzehn Zentimeter auf gewöhnlichem Kodak-Papier, war matt und hatte keinen Rand. Abgesehen von dem Wort Kodak , das mehrfach quer über die Rückseite lief, stand nichts darauf. »Glauben Sie, daß das ein neues Foto ist, das von einem alten Negativ abgezogen wurde? Oder vielleicht ein neues Foto, das nach einem alten gemacht wurde?«
    »Was macht das schon für einen Unterschied?«
    Ich zuckte die Achseln. »Tja, ich glaube nicht, daß uns ein Bild von einem Sonnenuntergang am Meer irgend etwas sagt. Vielleicht hängen die Schlüssel gar nicht damit zusammen. Vielleicht ist das Foto die Botschaft, und die Schlüssel sind ein Ablenkungsmanöver.«
    Er nahm die Karte und ging an den Tisch. Dann hielt er sie gegen das Licht, genau wie ich es getan hatte, und studierte die Fotografie. Ich spähte über seine Schulter. Sämtliche Grabsteine wirkten alt, und die verzierten Beschriftungen waren vom Regen ausgewaschen und von der Härte des winterlichen Schnees abgeschliffen worden. Zu sehen waren fünf niedrigere Grabsteine und drei größere Monumente aus der Lamm-und-Engel-Schule. Sogar die kleineren Steine, vermutlich aus Granit oder Marmor, waren mit Flachreliefs von Blättern, Schnörkeln, Kreuzen und Tauben versehen. Das bildbeherrschende Denkmal war ein weißer Marmorobelisk von schätzungsweise dreieinhalb Metern Höhe, der auf einem Granitsockel stand und von dem man den Namen Pelissaro ablesen konnte. Die umstehenden Bäume waren allesamt betagt und trugen kein Laub. Eine dünne Schneeschicht bedeckte den Boden. Ein Grüppchen Grabsteine war von einem Eisenzaun umgeben, und zur Rechten konnte ich einen Teil einer steinernen Mauer erkennen.
    »Ich nehme an, daß Sie nicht wissen, wo das ist«, sagte ich.
    Ray schüttelte den Kopf. »Könnte ein Privatfriedhof sein, so etwas wie ein Familiengrab auf dem Anwesen von jemandem.«
    »Dafür kommt es mir zu ausgedehnt vor. Ein Privatfriedhof wäre kompakter und ländlicher. Einheitlicher. Sehen Sie sich nur die Grabsteine an, wie unterschiedlich die Größen und Stilrichtungen sind.«
    »Und was hat das alles mit zwei Schlüsseln zu tun? Er hatte keine Zeit, einen Sarg freizuschaufeln und das Zeug zu vergraben. Es war mitten im Winter. Die Erde war hartgefroren.«
    Ich sah Ray interessiert an. »Tatsächlich. Es war also Winter. Die Aufnahme könnte also zur gleichen Jahreszeit gemacht worden sein?«
    »Möglich wäre das schon, aber wenn er das Geld vergraben hat, hätte er dazu Grabaushebemaschinen gebraucht, die er sich vermutlich sogar irgendwie hätte besorgen können. Ich erinnere mich übrigens dunkel daran, daß er mir erzählt hat, er wäre mal Friedhofsgärtner gewesen. Er hätte das Geld in einer Grabstätte verstecken können, schätze ich. Und was glauben Sie?«
    »Aber warum ein Foto hiervon? Vielleicht ist es der Name Pelissaro. Nur wilde Spekulationen meinerseits. Vielleicht hat er das Geld bei jemandem dieses Namens gelassen. In einem Gebäude oder einer Firma in der Nähe dieses Friedhofs. Das Pelissaro-Haus. Die Pelissaro-Farm. Der alte Pelissaro-Landsitz«, sagte ich und runzelte die Augenbrauen.
    Ray schüttelte den Kopf. »Sie sind auf dem Holzweg.«
    »Na gut. Vielleicht ist es etwas, was man von dort aus sehen kann. Ein Wasserturm, ein Nebengebäude, ein Steinbruch. Wo ist das Telefonbuch? Sehen wir mal nach. Stellen wir uns einfach dumm. Womöglich treffen wir ja ins Schwarze.«
    »Was nachsehen?«
    »Den Namen Pelissaro. Vielleicht hatte er ja einen Verbündeten.«
    Ich sah mich in der Küche um und entdeckte das Telefonbuch auf dem Stuhl,

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