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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Schlüsseldienst, Installation und Reparatur aller Schlösser, Einbau von Boden- und Wandsafes, Kombinationsänderungen.
    Innen war das Geschäft tief und eng und bestand fast ausschließlich aus einer langen Theke, hinter der ich eine Vielzahl von Schlüsselschleifmaschinen ausmachen konnte. Reihenweise hingen Schlüssel da, von Wand zu Wand, vom Boden bis zur Decke, geordnet nach einem System, das nur dem Besitzer bekannt war. Eine Schiebeleiter, die oben auf Rollen lief, gewährte offensichtlich Zugang zu den Schlüsseln in den düsteren oberen Regionen. Sämtlichen verfügbaren Raum auf dem abgetretenen Holzboden nahmen Horizon-Safes ein, die zum Verkauf angeboten wurden. Wir waren die einzigen Kunden im Laden, und ich sah weder einen Buchhalter noch einen Verkäufer oder einen Lehrling.
    Der Besitzer, Whitey Reidel, maß ungefähr einen Meter fünfzig und war rund um die Leibesmitte. Er trug ein weißes Anzughemd, schwarze Hosenträger und eine schwarze Hose. Ich habe zwar nicht nachgesehen, aber die Hose wirkte ganz so, als ließe sie am Saum eine Menge Knöchel hervorsehen. Er hatte eine weiche, unförmige Nase und große, dunkle Säcke unter den Augen. Sein Haaransatz war zurückgewichen wie das Meer bei Ebbe, und die verbliebenen dünnen Büschel weißen Haares standen vorne in einer Tolle nach oben wie bei einer Kewpie-Puppe. In seiner gewohnten Haltung pflegte er sich leicht nach vorn zu beugen, die Hände auf der Ladentheke, wo er sich festklammerte, als wehte ein heftiger Wind. Er ließ seinen Blick über uns drei gleiten und fixierte schließlich Helens Baseballschläger.
    »Sie trainiert die C-Jugend«, sagte Ray als Reaktion auf seinen Blick.
    »Was kann ich für Sie tun?« fragte Reidel.
    Ich trat nach vorn und stellte mich vor. Dann erklärte ich kurz, was wir brauchten und warum. Er fing an den Kopf zu schütteln und verzog in dem Moment, als ich einen Masterschlüssel für ein Vorhängeschloß erwähnte, der auf der einen Seite die Nummer M550 eingraviert trug, die Mundwinkel nach unten.
    »Geht nicht«, sagte er.
    »Ich bin noch nicht fertig.«
    »Ist auch nicht nötig. Erklärungen ändern nichts. Es gibt keine Serie von Master-Schlüsseln für Vorhängeschlösser, die mit M anfängt.«
    Ich starrte ihn an. Ray stand hinter mir, seine Mutter neben ihm. Ich drehte mich zu Ray um. »Sagen Sie es ihm.«
    »Sie sind diejenige, die den Schlüssel gesehen hat. Ich habe ihn nicht gesehen. Ich meine, gesehen habe ich ihn, aber ich habe nicht auf irgendwelche Zahlen geachtet.«
    »Ich erinnere mich genau«, sagte ich zu Reidel. »Haben Sie ein Blatt Papier? Ich zeige es Ihnen.«
    Mit demonstrativer Großmut griff er nach einem Notizblock und einem Stift. Ich schrieb die Nummer hin und zeigte darauf, als würde das meiner Behauptung mehr Gültigkeit verleihen.
    Er widersprach mir nicht. Er griff lediglich unter die Theke und holte das Verzeichnis der Master-Vorhängeschlösser hervor. »Wenn Sie ihn finden, schleife ich ihn Ihnen«, sagte er. Er legte die Hände auf die Theke und stützte sein Gewicht auf die Arme.
    Ich blätterte das Verzeichnis durch und fühlte mich stur und ratlos. Es gab zahlreiche Serien, von denen manche mit Buchstaben, manche mit Zahlen bezeichnet wurden, aber keine mit dem M, das ich gesehen hatte. »Ich kann beschwören, daß es ein Master-Schlüssel für ein Vorhängeschloß war.«
    »Das glaube ich Ihnen.«
    »Aber wie können auf einem Schlüssel Nummern stehen, die es nicht gibt?«
    Er verzog erneut die Mundwinkel nach unten und zuckte die Achseln. »Es war vermutlich ein Duplikat.«
    »Was würde das ändern?«
    Er griff in seine Hosentasche und holte einen einzelnen Schlüssel hervor. »Das ist der Schlüssel für ein Vorhängeschloß da hinten. Auf dieser Seite steht der Hersteller, in diesem Fall Master, genau wie bei dem Schlüssel, von dem die Rede ist. Hat er so ausgesehen?«
    »Mehr oder weniger«, sagte ich.
    Helen hatte das Interesse verloren. Sie war zu einem der frei stehenden Safes hinübergegangen, hatte sich daraufgesetzt und stützte sich auf ihren Baseballschläger wie auf einen Stock.
    »Okay. Auf dieser Seite steht Master, stimmt’s?«
    »Stimmt.«
    »Und auf dieser Seite stehen die Zahlen, die mit dem speziellen Schloß übereinstimmen, zu dem der Schlüssel paßt. Können Sie mir folgen?« Er sah zwischen mir und Ray hin und her, und wir nickten beide wie diese Nippesfiguren mit den losen Köpfen.
    »Wenn Sie mir diese Zahlen nennen, kann ich sie hier

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