Letzte Ehre
Und jetzt das.« Er zeigte mit dem Daumen in Richtung der Garagenwohnung. »Verstehen Sie, was ich meine?«
»Nein.«
»Na, dann denken Sie darüber nach.«
Ich wartete. Ich hatte nicht den blässesten Schimmer, worauf er hinauswollte.
Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. »Möchten Sie wissen, was ich glaube?« Er machte eine Kunstpause, um Dramatik zu erzeugen und die Wirkung auf die Spitze zu treiben. »Ich glaube, sie haben bis jetzt gebraucht, um ein paar Jungs hierherzuschicken, die herausfinden sollten, wieviel wir wußten.«
Dieser Satz war dermaßen vollgepackt, daß ich nicht wußte, welchen Teil ich zuerst aufgreifen sollte. Ich bemühte mich, nicht verärgert zu klingen. »Worüber?«
»Über das, was er im Krieg gemacht hat«, sagte er, als spräche er mit einer Schwachsinnigen. »Ich glaube, der alte Knabe war beim militärischen Nachrichtendienst.«
»Eine Menge Leute waren beim militärischen Nachrichtendienst. Na und?«
»Das stimmt. Aber er hat es nie zugegeben, nie ein Wort darüber verloren. Und wissen Sie, warum? Ich glaube, er war ein Doppelagent.«
»O Himmel, hören Sie auf damit! Ein Spion?«
»In gewissem Sinne ja. Informationsbeschaffung. Ich glaube, daß seine Akten deshalb unter Verschluß gehalten werden.«
»Sie glauben also, daß seine Akten unter Verschluß gehalten werden. Und daß Sie deshalb keine Bestätigung vom Veteranenamt bekommen«, sagte ich und wiederholte damit seine These.
»Volltreffer.« Er zielte mit einem Finger auf mich und blinzelte mir zu, als hätte ich endlich die erforderlichen /Q-Punkte aufgeholt.
Ich sah ihn ausdruckslos an. Langsam kam mir das Gespräch vor wie eine Diskussion mit einem UFO-Fanatiker, wo das Fehlen von Unterlagen als Beweis dafür angesehen wird, daß die Regierung sie geheimhält. »Wollen Sie damit sagen, daß er für die Deutschen gearbeitet hat oder für unsere Seite bei ihnen spioniert hat?«
»Nicht die Deutschen. Die Japaner. Ich könnte mir vorstellen, daß er für sie gearbeitet hat, aber ich weiß es nicht mit Sicherheit. Er war drüben in Birma. Das hat er wenigstens zugegeben.«
»Warum sollte das nach so vielen Jahren noch eine so große Rolle spielen?«
»Das wüßte ich gern von Ihnen.«
»Tja, woher soll ich das wissen? Ehrlich gesagt, Chester, ich kann über solche Dinge nicht spekulieren. Ich kannte Ihren Vater nicht einmal. Ich kann auch nicht erraten, was er getrieben hat. Falls überhaupt irgend etwas.«
»Ich verlange nicht von Ihnen, daß Sie Spekulationen anstellen. Ich verlange, daß Sie objektiv sind. Warum sollten sie sonst behaupten, daß er gar nicht bei der Air Force war? Nennen Sie mir einen guten Grund.«
»Bislang haben Sie noch keinerlei Beweise dafür, daß er tatsächlich dabei war.«
»Warum sollte er lügen? Der gute Mann würde bei so etwas nicht lügen. Sie sehen den Kern der Sache nicht.«
»Nein, das stimmt nicht. Der Kern der Sache ist, daß sie eigentlich auch nicht behaupten, daß er nicht dabei war«, sagte ich. »Sie sagen lediglich, daß sie ihn anhand der Daten, die Sie ihnen genannt haben, nicht identifizieren können. Es muß hundert John Lees geben. Wahrscheinlich noch mehr.«
»Mit seinem exakten Geburtsdatum und seiner Sozialversicherungsnummer? Kommen Sie. Glauben Sie vielleicht, solche Daten sind nicht im Computer? Sie brauchen es nur einzugeben. Eingabe bestätigen, und peng, haben sie ihn. Warum sollten sie es abstreiten?«
»Wie kommen Sie darauf, daß sie all diese Daten im Computer haben?« fragte ich aus reiner Lust am Abwegigen. Das war nicht gerade der springende Punkt, aber mir war nach Streiten zumute.
»Wie kommen Sie darauf, daß sie sie nicht haben?«
Mit Mühe unterdrückte ich ein Stöhnen. Mir war dieses Gespräch zuwider, aber ich fand keine Möglichkeit, ihm zu entkommen. »Kommen Sie, Chester. Lassen wir das doch, okay?«
»Sie haben die Frage gestellt. Ich antworte nur.«
»Ach, vergessen Sie’s. Wie Sie wünschen. Dann sagen wir eben, daß er ein Spion war, nur um der Auseinandersetzung willen. Das war vor über vierzig Jahren. Der Mann ist mittlerweile tot , also warum sollte das irgend jemanden scheren?«
»Vielleicht geht es ihnen gar nicht um ihn. Vielleicht geht es ihnen um etwas in seinem Besitz. Vielleicht hat er etwas mitgenommen, das ihnen gehört. Und jetzt wollen sie es zurück.«
»Sie machen mich wahnsinnig. Was für ein es?«
»Woher soll ich das wissen? Akten. Unterlagen. Ist ja nur so eine Ahnung.«
Am
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