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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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vorbrachte, tauchte er mir die Zunge in Tabasco. Ich haßte das, haßte meinen Alten dafür, daß er das tat, aber ich glaubte, daß das Leben eben so sei. Heutzutage braucht man einem Kind bloß in der Öffentlichkeit eine runterzuhauen, und schon wird man verklagt, Mann o Mann, und dann findet man sich im Knast wieder. Das Kind im Heim und der ganze Ort in hellem Aufruhr.«
    »Manches verändert sich wohl auch zum Besseren«, bemerkte ich.
    »Da haben Sie recht. Ich habe mir geschworen, meine Kinder nie so zu behandeln, und dieses Versprechen habe ich gehalten. Ich habe nie die Hand gegen sie erhoben.«
    Ich sah ihn an und wartete auf ein reuevolles Eingeständnis seiner eigenen Ausfälligkeiten, aber er schien die Verbindung nicht herzustellen. Ich verlagerte das Thema ein wenig. »Ihr Vater starb an einem Herzinfarkt?«
    Chester nahm einen Zug von seiner Zigarette und zupfte sich ein Fädchen Tabak von der Zunge. »Ist im Garten umgekippt. Der Arzt hat ihm gesagt, er soll lieber die Finger vom Fett lassen. Dann hat er sich eines Samstags hingesetzt und einen großen Teller Eier mit Speck, Bratwürste und Bratkartoffeln verdrückt, vier Tassen Kaffee getrunken und eine Zigarette geraucht. Er schob seinen Stuhl zurück, sagte, er fühle sich nicht besonders, und ist auf seine Wohnung zugegangen. Ist nicht einmal bis zur Treppe gekommen. >Koronarokklusion< hieß das Wort, das sie dafür verwendet haben. Bei der Autopsie fanden sie eine Öffnung in seiner Arterie, die nicht breiter war als ein Faden.«
    »Sie glauben also nicht, daß sein Tod mit dem Einbruch zusammenhängt.«
    »Ich glaube jedenfalls nicht, daß er ermordet wurde, falls Sie darauf hinauswollen, aber es könnte einen Zusammenhang geben. Indirekt«, meinte er. Er studierte die Asche an der Spitze seiner Zigarette. »Eines müssen Sie über meinen alten Herrn wissen. Er war paranoid. Er liebte Losungsworte und geheime Klopfzeichen, diesen ganzen Null-Null-Sieben-Mumpitz. Es gab Dinge, über die er nicht sprechen wollte, in erster Linie über den Krieg. Ab und zu, wenn er genug Whiskey getankt hatte, fing er an zu quasseln, aber man brauchte ihm nur eine Frage zu stellen, und schon hat er geschwiegen wie eine Auster.«
    »Was glauben Sie, woran das lag?«
    »Tja, darauf komme ich noch, aber lassen Sie mich erst noch etwas klären. Verstehen Sie, es kommt mir seltsam vor, diese ganze Abfolge von Ereignissen. Der alte Knacker stirbt, und damit hätte alles vorbei sein sollen. Statt dessen kommt Bucky auf die Idee, diese Zuschüsse zu beantragen, und dadurch werden sie hellhörig.«
    »Wer wird hellhörig?«
    »Die Regierung.«
    »Die Regierung«, wiederholte ich.
    Er beugte sich vor und senkte die Stimme. »Ich glaube, mein alter Herr hat sich vor den Regierungstypen versteckt.«
    Ich starrte ihn an. »Weshalb?«
    »Nun, das kann ich Ihnen sagen. Die ganzen Jahre seit dem Krieg? Kein einziges Mal hat er Leistungen beantragt: nicht für Invalidität, nicht für Arztkosten, nicht für irgendwelche Veteranenbeihilfen. Weshalb wohl?«
    »Ich geb’s auf.«
    Er lächelte ein wenig und ließ sich von der Tatsache, daß ich ihm seine Theorie nicht abkaufte, nicht stören. »Machen Sie sich ruhig darüber lustig, wenn es Ihnen Spaß macht, aber werfen Sie mal einen Blick auf die Fakten. Wir füllen ein Antragsformular aus... sämtliche Daten sind korrekt... aber als erstes behaupten sie, sie hätten keine Unterlagen über ihn, was Schwachsinn ist. Nichts als der reine Schwindel. Was soll das heißen, daß sie keine Unterlagen über ihn haben? Das ist doch Unsinn. Natürlich haben sie welche. Aber geben sie es zu? Nein, Ma’am. Können Sie mir folgen? Also rufe ich in Randolph an — das ist die Luftwaffenbasis, wo die ganzen Akten aufbewahrt werden — und exerziere das Ganze noch einmal durch. Und werde hingehalten, na gut. Dann rufe ich beim National Personnel Records Center in St. Louis an. Nichts zu machen. Nie von ihm gehört. Dann rufe ich in Washington, D.C., an... wir sprechen hier vom Pentagon. Nichts. Keine Unterlagen. Nun, ich bin eben schwer von Begriff. Ich kapiere es einfach nicht. Das einzige, was ich kann, ist jede Menge Wirbel zu machen. Ich mache deutlich, daß wir es ernst meinen. Lausige dreihundert Dollar, aber das ist mir scheißegal. Ich werde die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Der Mann hat seinem Land gedient und hat Anspruch auf eine anständige Beisetzung. Und was kriege ich zu hören? Dasselbe in Grün. Sie wissen von gar nichts.

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