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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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unversehrt, als ich ging. Ich habe abgesperrt und den Schlüssel durch den Briefschlitz geworfen, wie Bucky es wollte. Ray Rawson war hier. Wenn Sie mir nicht glauben, können Sie ihn fragen.«
    »Alle sind unschuldig. Keiner hat was getan. Alle haben irgendeine bescheuerte Entschuldigung«, meckerte Chester.
    »Dad, sie war es nicht.«
    »Laß mich das klären.« Er wandte sich um und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Wollen Sie damit sagen, daß Ray Rawson das gemacht hat?«
    »Natürlich nicht. Warum sollte er, wenn er darauf hofft, hier einzuziehen?« Meine Stimme wurde als Reaktion auf seine lauter, und ich rang um Kontrolle.
    Chester wurde langsam unwillig. »Tja, dann sollten Sie sich lieber mit ihm unterhalten und feststellen, was er weiß.«
    »Warum sollte er etwas wissen? Er ist zur selben Zeit gegangen wie ich.«
    Bucky schaltete sich ein und versuchte, einen Hauch Vernunft ins Spiel zu bringen. »Pappy war arm wie eine Kirchenmaus, also gibt’s hier überhaupt nichts zu holen. Außerdem ist er im Juli gestorben. Wenn die Einbrecher glaubten, hier gäbe es Wertsachen, weshalb haben sie dann bis jetzt gewartet?«
    »Vielleicht waren es Jugendliche«, sagte ich.
    »Wir haben keine Jugendlichen in der Gegend, soweit ich weiß.«
    »Das stimmt«, sagte ich. Unser Viertel war in erster Linie eine Rentnergegend. Natürlich war immer möglich, daß eine streunende Gangsterbande die Wohnung aufs Korn genommen hatte. Vielleicht dachten sie, daß eine derart schäbig aussehende Behausung eine Tarnung für etwas Lohnendes sein mußte.
    »Schwachsinn!« stieß Chester angeekelt hervor. »Ich gehe nach unten und warte auf die Polizei. Sowie ihr beiden Verbrechensexperten eure Analyse abgeschlossen habt, könnt ihr die Wohnung aufräumen.«
    Ich warf ihm einen Blick zu. »Ich habe nicht vor, diese verdammte Bude aufzuräumen .«
    »Ich habe nicht mit Ihnen gesprochen«, meinte er. »Bucky, du und Babe macht euch an die Arbeit.«
    »Warten Sie lieber auf die Polizei«, sagte ich.
    Er wirbelte herum und starrte mich an. »Warum das?«
    »Weil das hier ein Tatort ist. Die Polizisten möchten vielleicht Fingerabdrücke abnehmen.«
    Chesters Miene schien sich zu verdüstern. »Das ist doch Blödsinn. Daran ist irgend etwas faul.« Er machte eine Bewegung in meine Richtung. »Sie können mit mir nach unten kommen.«
    Ich blickte nach hinten zu Bucky. »Ich würde an Ihrer Stelle nichts anfassen. Man sollte nicht an Beweismitteln herumpfuschen.«
    »Ich hab’s gehört«, sagte er.
    Chester bedeutete mir mit einer ungeduldigen Geste, daß ich ihm folgen sollte.
    Auf dem Weg die Treppe hinab sah ich auf die Uhr. Es war ein Uhr fünfzehn, und ich hatte jetzt schon genug davon, mich von diesem Kerl angiften zu lassen. Ich lasse mich durchaus angiften, wenn ich dafür bezahlt werde, aber ich tue es nur ungern ohne Entlohnung.
    Chester trampelte in die Küche, eilte schnurstracks auf den Kühlschrank zu und riß dessen Tür auf. Er holte ein Glas Mayonnaise, ein Glas Senf, eine Flasche scharfe Soße, ein Päckchen Mortadella und einen Laib Weißbrot heraus. Hatte er mich hierher beordert, damit ich sein Mittagessen überwachen konnte?
    »Tut mir leid, wenn ich grob war, aber es paßt mir nicht, was hier abläuft«, sagte er schroff. Er sah nicht zu mir her, und ich war versucht, mich genauer umzusehen, um festzustellen, ob noch jemand im Raum war. Er hatte seine herrische Art abgelegt und sprach nun in normalem Tonfall.
    »Haben Sie eine Theorie?«
    »Darauf komme ich gleich. Schnappen Sie sich einen Stuhl.«
    Zumindest hatte er meine Aufmerksamkeit. Ich setzte mich an den Küchentisch und sah fasziniert zu, als er mit seinen Vorbereitungen begann. In meinem Beruf verbringe ich aus unerfindlichen Gründen eine Menge Zeit in Küchen und sehe zu, wie sich Männer Sandwiches machen, und ich kann mit Bestimmtheit sagen, daß sie es besser beherrschen als Frauen. Männer sind furchtlos. Sie interessieren sich nicht für Nährwerte und studieren nur selten die Liste der Chemikalien, die auf den Packungen aufgedruckt ist. Ich habe noch nie einen Mann die Brotrinden abschneiden oder sich um die Ästhetik des »Anrichtens« kümmern sehen. Vergiß das Sträußchen Petersilie und die Radieschenrosette. Bei Männern ist es eine reine Grunz-und-Schmatz-Aktion.
    Chester knallte eine schmiedeeiserne Pfanne auf den Brenner, zündete das Gas an und warf einen Klumpen Butter hinein, der auf der Stelle zu brutzeln begann. »Ich habe

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