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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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liebsten hätte ich meinen kleinen Kopf auf die Tischplatte gelegt und vor Verzweiflung geweint. »Chester, das ist doch unsinnig.«
    »Wieso?«
    »Wenn das der Fall wäre, warum sollten sie dann die Aufmerksamkeit darauf lenken? Warum sollten sie Ihnen dann nicht einfach die dreihundert Dollar zahlen? Dann können sie ganz nach Belieben herkommen und nach diesem Ding suchen... diesem Etwas, das Sie bei ihm vermuten. Wenn er all die Jahre unerkannt gelebt hat... wenn sie wirklich gesucht haben und jetzt erst seinen Aufenthaltsort ausfindig gemacht haben, warum sollten sie dann Ihren Verdacht erregen, indem sie Ihnen einen mickrigen kleinen Zuschuß von dreihundert Dollar verweigern?«
    »Vierhundertfünfzig mit Beisetzung«, sagte er.
    Ich gab mich der Arithmetik geschlagen. »Dann eben vierhundertfünfzig«, sagte ich. »Die Frage bleibt die gleiche. Warum sich sperren?«
    »He, ich kann nicht erklären, warum die Regierung tut, was sie tut. Wenn diese Typen so schlau wären, hätten sie ihn ja schon vor Jahren aufgespürt. Der Antrag beim Veteranenamt war der entscheidende Hinweis, das ist alles, was ich sage.«
    Ich holte tief Luft. »Sie ziehen voreilige Schlüsse.«
    Er drückte seine Zigarette aus. »Natürlich tue ich das. Die Frage ist nur, ob ich recht habe. So wie ich es sehe, haben die Jungs ihn endlich eingekreist, und das ist die Folge davon.« Er wippte mit dem Kopf in Richtung der Garagenwohnung. »Hier ist die einzige Frage, die ich noch habe... haben sie gefunden, was sie wollten, oder ist es immer noch irgendwo versteckt? Ich sage Ihnen noch etwas. Dieser Rawson könnte auch dazugehören.«
    Diesmal stöhnte ich wirklich und stützte meinen Kopf in die Hände. Das Gespräch löste Verspannungen in meinem Nacken aus, und deshalb massierte ich mir den Trapezius. »Also, hören Sie zu. Das ist eine interessante Hypothese, und ich wünsche Ihnen viel Glück. Ich habe lediglich angeboten, mich an der Suche nach einer Hundemarke oder einem Foto zu beteiligen. Wenn Sie daraus einen Spionagering machen wollen, fällt das nicht in mein Gebiet. Danke für das Sandwich. Sie sind ein Mortadellagenie.«
    Chesters Blick fiel urplötzlich auf einen Punkt hinter mir. An der Hintertür ertönte heftiges Klopfen, und ich sprang unwillkürlich auf.
    Chester erhob sich. »Die Polizei«, sagte er kaum hörbar. »Geben Sie sich ganz normal.«
    Er ging auf die Tür zu, um den Mann hereinzulassen, während ich mich umdrehte und ihn anschielte. Geben Sie sich normal. Warum sollte ich mich nicht normal geben? Ich bin normal.
    Auf der Hintertreppe konnte ich hören, wie sich der uniformierte Polizist murmelnd vorstellte. Chester führte ihn in die Küche. »Danke, daß Sie gekommen sind. Das ist meine Nachbarin Kinsey Millhone. Officer Wettig«, sagte er im aufgesetzten Tonfall eines braven Bürgersmannes.
    Ich warf einen Blick auf das Namensschild des Polizisten. P. Wettig. Paul, Peter, Philip. Es war jedenfalls niemand, den ich von meinen Kontakten mit dem Polizeirevier kannte. Eigentlich hatten Gutierrez und Pettigrew immer diesen Bezirk unter sich. Trotz meiner Skepsis zeigte Chesters Verschwörungstheorie offensichtlich Wirkung, weil ich mich bereits fragte, ob man den Notruf abgefangen und einen falschen Polizisten geschickt hatte. Wettig war vermutlich Ende vierzig und sah eher aus wie ein Nachtclubsänger, nicht wie ein Streifenpolizist. Er trug sein blondes Haar lang und hinten zu einem kleinen Schwänzchen zusammengebunden; braune Augen, kurze, stumpfe Nase, rundes Kinn. Ich schätzte ihn auf einsachtundachtzig bei einem Gewicht von etwa fünfundneunzig Kilo. Die Uniform sah authentisch aus, aber war er nicht ein bißchen zu alt für einen Streifenpolizisten?
    »Hi. Wie geht’s?« sagte ich und schüttelte ihm die Hand. »Ich hatte mit Gerald Pettigrew und Maria Gutierrez gerechnet.«
    Wettigs Blick war neutral, sein Tonfall höflich. »Sie sind nicht mehr zusammen. Pettigrew ist jetzt bei der Verkehrspolizei, und Maria ist ins Sheriffbüro versetzt worden.«
    »Tatsächlich. Das wußte ich nicht.« Ich sah Chester an. »Brauchen Sie mich hier noch? Ich kann dableiben, wenn Sie möchten.«
    »Keine Sorge. Ich kann Sie nachher anrufen.« Er sah Officer Wettig an. »Vielleicht sollte ich Ihnen jetzt lieber die Wohnung zeigen.«
    Ich sah zu, wie Chester und der Polizist die Hintertreppe hinab und über die betonierte Einfahrt schritten.
    Sowie sie außer Sichtweite waren, ging ich den Flur entlang und spähte vorn

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