Letzte Ehre
setzten. Henry zog mich beiseite. »Was ist denn das für eine Geschichte mit diesem Einbruch?«
»Ich weiß es nicht genau. Chester ist anscheinend der Meinung, daß ein ruchloses Komplott im Gange ist, aber ich kaufe ihm das nicht ganz ab. Jemand hat eingebrochen... soviel steht fest. Nur bin ich mir nicht sicher, daß es irgend etwas mit seinem Dad zu tun hat.«
»Chester glaubt, daß ein Zusammenhang besteht?«
»Er denkt, daß alles zusammenhängt. Ich glaube, der Typ hat zu viele schlechte Filme gesehen. Er hegt den Verdacht, daß Johnny im Zweiten Weltkrieg Doppelagent war und irgendwie einen Stapel gestohlener Papiere in seinem Besitz hat. Er ist der Meinung, daß der Antrag beim Veteranenamt die Regierung hellhörig gemacht hat, und daß sie die Einbrecher waren.«
Henry sah verwirrt drein. »Wer?«
»Der CIA, nehme ich an. Irgend jemand, der endlich herausgefunden hat, wo sich der alte Mann versteckt hat. Jedenfalls ist das seine Theorie, und er ist einfach nicht davon abzubringen.«
»Es tut mir leid, daß ich dich da hineingezogen habe. Chester ist anscheinend ein Irrer.«
»Mach dir keine Sorgen. Er hat mich ja nicht richtig engagiert, also ist es doch egal.«
»Tja, es klingt, als hättest du getan, was du konntest, und das weiß ich zu schätzen. Jetzt bin ich dir einen Gefallen schuldig.«
»Ach was, bist du nicht«, sagte ich und winkte ab. In den Jahren unserer Freundschaft hatte Henry so viel für mich getan, daß ich es nie aufholen würde.
Als sie gegen zehn das Monopoly und das obligatorische Popcorn herausholten, entschuldigte ich mich und ging nach Hause. Ich wußte, das Spiel würde sich bis Mitternacht oder ein Uhr hinziehen, und das war mir zuviel. Vermutlich war ich nicht alt genug.
Ich schlief wie ein Stein bis sechs Uhr vierzehn und erwischte den Wecker nur Sekunden, bevor er läuten sollte. Ich wälzte mich aus dem Bett und zog für meinen Morgenlauf den Jogginganzug an. In den Frühlings- und Sommermonaten laufe ich um sechs Uhr, doch im Winter geht die Sonne erst kurz vor sieben auf. Dann möchte ich draußen auf meiner Strecke sein. Ich jogge, seit ich fünfundzwanzig bin... drei Meilen täglich, meistens sechs Tage die Woche, außer ich bin durch Krankheit, Verletzung oder einen Anfall von Faulheit, was aber nicht oft vorkommt, verhindert. Mein Eßverhalten ist völlig ungeregelt und meine Ernährung gräßlich, und so ist das Laufen meine Art, meine Sünden wieder gutzumachen. Während mich die Schmerzen nicht gerade begeistern, bin ich süchtig nach der Euphorie. Und ich liebe die Luft zu dieser Tageszeit. Es ist kalt und feucht. Es riecht nach Meer und Kiefern und Eukalyptus und frisch gemähtem Gras. Wenn ich mich auf dem Nachhauseweg abkühle, hat sich die Sonne bereits über die Rasenflächen ausgebreitet, entfaltet all die Schatten hinter den Bäumen und verwandelt den Tau in Dunst. Es gibt keinen befriedigenderen Augenblick als den letzten Moment eines Laufs: Der Brustkorb hebt und senkt sich, das Herz klopft, und der Schweiß läuft mir übers Gesicht. Ich beuge mich aus der Taille herab und stoße einen Laut reinster Wonne aus, befreit von Anspannung, Streß und den Nachwirkungen sämtlicher Viertelpfünder mit Käse.
Ich beendete meinen Lauf und spazierte gemächlich nach Hause. Ich betrat das Apartment, duschte und zog mich an. Ich löffelte gerade meine kalten Corn-flakes aus, als das Telefon klingelte. Ich sah auf die Uhr. Es war sieben Uhr einundvierzig, nicht gerade eine Stunde, zu der ich normalerweise damit rechne, daß die Welt mich bedrängt. Ich ergriff den Hörer beim zweiten Klingeln. »Hallo?«
»He, ich bin’s, Chester. Ich hoffe, ich störe Sie nicht«, sagte er.
»Ist schon gut. Was machen Sie denn zu dieser Stunde?«
»Waren Sie das, die ich vor einem Weilchen den Cabana Boulevard habe hinunterlaufen sehen?«
»Jaaaa«, sagte ich vorsichtig. »Haben Sie angerufen, um mich das zu fragen, oder gibt es noch etwas anderes?«
»Nein, nein, ganz und gar nicht. Ich habe nur überlegt«, sagte er. »Ich habe etwas, das ich Ihnen zeigen möchte. Wir haben es gestern abend entdeckt.«
»Was für ein >es«
»Kommen Sie einfach rüber, und werfen Sie einen Blick drauf. Es ist etwas, das Bucky entdeckt hat, als er Pappys Wohnung ausgeräumt hat. Ich wollte niemanden etwas anfassen lassen, bevor Sie es sich angesehen haben. Vielleicht müssen Sie dann Abbitte leisten.« Er feixte schon beinahe.
»Geben Sie mir fünf Minuten.«
Ich spülte
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