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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Problem. Ich mache vermutlich jeden Monat dreißig Safes auf. Ich kenne dieses Modell. Dürfte nicht lange dauern.«
    Wir standen alle vier da und sahen fasziniert zu, wie Jones seinen Werkzeugkasten öffnete. Seine Art hatte etwas von einem alten Arzt auf Hausbesuch. Er hatte seine Erstdiagnose gestellt, der Zustand des Patienten war nicht besorgniserregend, und wir waren alle erleichtert. Nun ging es nur noch um die richtige Behandlung. Er holte ein kegelförmiges Gerät heraus, das er auf die Skalenscheibe legte und fest anschraubte. Binnen Minuten hatte er die Scheibe abmontiert und beiseite gelegt, dann entfernte er die beiden Schrauben, die den Skalenring hielten, zog den Ring ab und legte ihn neben die Scheibe. Als nächstes holte er einen elektrischen Bohrer hervor und begann, an der Stelle, die von der Scheibe und dem Ring bedeckt gewesen war, ein Loch in das Metall zu bohren.
    »Sie bohren einfach durch?« fragte Babe. Sie klang enttäuscht; womöglich hatte sie auf Sprengkapseln aus Dynamit und Nitroglyzerin gehofft.
    Jones lächelte. »Ganz so würde ich es nicht nennen. Das hier ist ein Feuersafe für den Privatgebrauch. Wenn es ein einbruchsicherer Safe wäre, stünden wir vor einer Panzerung: Isoliermaterial direkt hinter dieser Stahlplatte. Dafür habe ich einen Druckaufsatz, aber ich würde trotzdem eine halbe Stunde brauchen, um ein Loch von einem halben Zentimeter zu bohren. Viele von den Dingern haben federgesteuerte Wiederverschließmechanismen. Wenn man auf die falsche Stelle trifft, löst man sie aus. Und dann wird es erst mal viel übler, bevor es wieder besser wird. Das hier ist leicht.«
    Wir schwiegen, während er bohrte, da das leise Jaulen des Metalls ein Gespräch erschwerte. Die Haare auf seinem Handrücken waren zartgolden, seine Finger lang, die Gelenke schmal. Er lächelte vor sich hin, als ob er etwas wüßte, was wir anderen noch nicht bedacht hatten. Oder vielleicht war er einfach ein Mann, dem seine Arbeit Spaß machte. Sobald ein Loch gebohrt war, holte er ein anderes Werkzeug hervor.
    »Was ist das?« fragte ich.
    »Ein Ophthalmoskop«, sagte er. »Das Ding, das der Doktor benutzt, wenn er Ihnen in die Augen guckt. Es wirft Licht auf die Kombinationsrädchen, damit ich sehen kann, was wir da haben.« Er begann in das frisch gebohrte Loch zu spähen und ging dabei immer näher heran, während er eine außen angebrachte Skala bewegte, um die Brennweite einzustellen. Während er durch sein Ophthalmoskop äugte, ließ er den hervorstehenden Zapfen nach links rotieren. »Das setzt das Antriebsrad in Gang, das wiederum das dritte Kombinationsrad anschiebt. Das dritte Rad treibt das zweite Rad an, und das schließlich das erste«, erklärte er. »Erst nach vier Umdrehungen bewegt sich das erste Rad. Das ist dasjenige, das im Safe am weitesten vorn liegt. Hier kommt es schon. Hervorragend. Der Sperrstift liegt genau unter der Zuhaltung. Jetzt kehren wir einfach die Richtung unserer Drehbewegung um und verringern die Anzahl der Umdrehungen. Wenn ich alle drei Räder eingestellt habe, ist die Zuhaltung so weit, daß sie herabfällt, sobald die Spitze des Hebels auf den Sperrstift im Antriebsrad trifft. Dann drehen wir weiter, der Hebel zieht den Verschlußbolzen zurück, und schon ist alles erledigt.«
    Mit diesen Worten versetzte er dem Griff einen Ruck, und die Safetür schwang auf. Chester, Bucky und ich stießen simultan ein » Ooo « aus, als begafften wir ein Feuerwerk.
    Babe sagte: »Mist, er ist leer.«
    »Sie müssen es bereits haben. Verdammt «, sagte Chester.
    »Was haben?« wollte Babe wissen, aber er überhörte die Frage und schoß ihr einen bösen Blick zu.
    Während Bergan Jones die Kombination notierte und sein Werkzeug aufräumte, spähte Bucky in den Safe, legte sich schließlich auf den Rücken wie ein Automechaniker und leuchtete mit einer Lampe das Innere ab. »Hier oben klebt etwas, Dad.«
    Ich beugte mich hinüber und äugte mit ihm hinein. Etwas war an der Oberseite des Safes angebracht worden: ein bucklig aussehendes Quadrat aus beigefarbenem Klebeband im Format fünfundzwanzig mal fünfundzwanzig Zentimeter.
    Chester stieg über Buckys Beine, kauerte sich vor den Safe und inspizierte das Quadrat. »Was ist denn das? Zieh es ab und gib es mir. Laß mich das Ding ansehen.«
    Vorsichtig löste Bucky eine Ecke und zog es dann ab wie Heftpflaster von einer Wunde. Ein großer Eisenschlüssel klebte daran. Er sah aus wie ein altmodischer, eiserner Hausschlüssel mit

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