Letzte Ehre
wollte ich bereit sein, ihnen unverzüglich zu folgen.
Sie gab noch etwas ein und tippte entspannt vor sich hin. »Haben Sie Gepäck?«
»Nur Handgepäck«, antwortete ich. Ich wollte sie anschreien, daß sie sich beeilen sollte, aber es war zwecklos. Der Ticketdrucker begann zu rattern und zu brummen und produzierte mein Ticket, die Bordkarte und die Kreditkartenquittung, die ich an der bezeichneten Stelle unterschrieb. Ich merkte, wie ich leicht zu schielen begann, als ich sah, was ich bezahlt hatte. Das Ticket für Hin- und Rückflug in der Touristenklasse hatte mich ohne Vielfliegerbonus oder Vorverkaufsrabatt 974 Dollar gekostet. Ich überschlug rasch alles im Kopf. Das Limit für diese Kreditkarte lag bei 2500 Dollar, und ich zahlte immer noch Einkäufe ab, die ich im Sommer getätigt hatte. Meinen Berechnungen zufolge hatte ich jetzt noch ungefähr vierhundert Dollar übrig. Sei’s drum. Es war ja nicht so, daß ich nicht noch Geld auf meinem Sparbuch gehabt hätte. Ich kam nur zu dieser späten Stunde nicht dran.
Ich nahm den Umschlag mit meinem Ticket, dankte der Angestellten und eilte vorne aus der Schalterhalle heraus und weiter zu Flugsteig 6 , wo ich meine Handtasche auf das Förderband stellte, das sie durch das Röntgengerät schleuste. Ich nahm Johnnys Schlüssel aus meiner Hosentasche und steckte ihn in die Handtasche. Ohne Zwischenfall passierte ich den Metalldetektor und nahm meine Tasche auf der anderen Seite wieder entgegen. Passagiere der ersten Klasse und Eltern mit kleinen Kindern waren zuerst abgefertigt worden und hatten das Flughafengebäude bereits verlassen. Ich konnte sehen, wie sie über den Asphalt auf das wartende Flugzeug zuschlenderten. Mittlerweile war das Einsteigen in vollem Gange, und ich stellte mich ans Ende der sich langsam vorwärts bewegenden Schlange. Der Mann im Stetson war deutlich zu sehen.
Etwa sechs Passagiere vor mir stand das Pärchen nebeneinander und sprach wenig oder gar nichts. Sie hielt mittlerweile die Illustrierten, und er trug den Matchsack. Ihr Verhalten zueinander wirkte angespannt, und ihre Gesichter waren leblos. Ich sah keine Anzeichen für Zuneigung, abgesehen von dem Bauch, der zumindest auf eine Runde Intimität vor sechs oder sieben Monaten schließen ließ. Vielleicht waren sie wegen des Babys gezwungen gewesen, zu heiraten. Was auch immer die Erklärung dafür war, die emotionale Dynamik zwischen ihnen schien abgestorben zu sein.
Als sie am Flugsteig angekommen waren, reichte der Mann ihr den Matchsack und sagte etwas. Sie murmelte ohne ihn anzusehen eine Antwort. Sie wirkte abwesend, und ihre Reaktion auf ihn war unübersehbar frostig. Er legte ihr einen Arm um die Schulter und gab ihr einen Kuß auf die Wange. Dann trat er zurück, steckte die Hände in die Taschen und sah zu, wie sie jemandem vom Bodenpersonal ihre Bordkarte gab und mit dem Matchsack in der Hand hinausging. Oh-oh, was nun? Er wartete vor dem Flugsteig, bis sie nicht mehr zu sehen war. Ich zögerte und erwog meine Alternativen. Ich konnte immer noch ihn verfolgen, aber der Punkt war der Matchsack, zumindest bis ich wußte, was darin steckte. Wenn die Beute erst einmal weg war, wie sollte man sie dann jemals zu ihrem Ursprung zurückverfolgen?
Der Mann drehte sich in meine Richtung um und ging auf den Ausgang zu. Er fing ganz kurz meinen Blick auf, bevor ich wegsehen konnte. Ich sah ihn noch einmal an und machte eine mentale Fotografie seines mißmutigen Gesichts und der Narbe am Kinn, einer tief eingegrabenen weißen Linie, die an seiner Unterlippe begann und sich seinen Hals hinabzog. Entweder war er durch ein Fenster gefallen, oder jemand hatte ihm das Gesicht aufgeschlitzt.
Jemand vom Bodenpersonal nahm mein Ticket entgegen und reichte mir den Abschnitt meiner Bordkarte zurück. Wenn ich noch aussteigen wollte, dann jetzt. Vor mir, auf der anderen Seite des schlecht beleuchteten Asphaltstreifens, sah ich, wie die Schwangere oben an der fahrbaren Treppe anlangte und durch die Tür ins Flugzeug stieg. Ich holte tief Luft und schritt auf den Asphalt hinaus, wo ich die freie Fläche zur Treppe überquerte. Die Luft war frisch, und der ständige Wind, der die Rollbahn entlangwehte, schnitt durch den Stoff meines Tweedblazers. Ich stieg die fahrbare Treppe hinauf, und dabei klirrten meine Schuhe auf den Metallstufen.
Ich war schon froher gestimmt, nachdem ich die Schwelle zu der 737 überschritten hatte und in die erleuchtete Wärme ihres Inneren getreten war. Ich warf
Weitere Kostenlose Bücher