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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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angebrachte Tasche und suchte nach etwas, das sich dort befinden müßte. Ich besaß nicht die Zeit (oder die Kühnheit), den Matchsack herunterzuholen. Die Frau hatte offenbar ihre Handtasche mitgenommen — nicht sehr vertrauensvoll von ihr — , und so konnte ich deren Inhalt nicht durchwühlen. Ich sah in ihre Sitztasche. Nichts von Interesse. Das einzige, was sie liegengelassen hatte, war der gebundene Roman von Danielle Steel, der nun zugeklappt auf dem mittleren Sitz lag. Ich sah auf das Vorsatzblatt, doch es war kein Name in das Buch geschrieben worden. Ich bemerkte, daß sie ihre Bordkarte als Lesezeichen verwendete. Ich zog sie heraus, schob den Abriß in meine Jackentasche und kehrte an meinen Platz zurück. Niemand kreischte auf, zeigte mit dem Finger auf mich oder verriet mich postwendend.
    Nur Momente später kam die Schwangere auf dem Rückweg zu ihrem Platz erneut an mir vorbei. Ich sah, wie sie ihr Buch in die Hand nahm. Sie erhob sich zur Hälfte und sah unter ihrem Sitzkissen nach, beugte sich dann herab und suchte unter dem Sitz nach der fehlenden Bordkarte. In der Luft über ihrem Kopf konnte ich das Fragezeichen beinahe entstehen sehen, wie eine Wolke. Sie zuckte leicht mit den Schultern. Dann stand sie wieder auf und nahm ein Kissen und eine winzige Decke aus dem Gepäckfach über ihr, schaltete das Licht aus und machte es sich mit der Decke über dem Oberkörper auf ihrem Sitz bequem.
    Ich zog den Abriß ihrer Bordkarte aus meiner Jackentasche und las die Sparinformation, die darauf abgedruckt war. Ihr Name war Laura Huckaby, ihr Zielort Palm Beach.
    Dallas/Fort Worth liegt in der zentralen Zeitzone, zwei Stunden vor uns. Nach gut drei Zusatz-Stunden in der Luft war es 1.45 Uhr, als wir endlich landeten. Wenige Minuten vor unserer Ankunft meldete sich die Stewardeß über die Sprechanlage und gab die Nummern der Flugsteige für verschiedene Anschlußflüge bekannt. Außerdem teilte sie uns mit, daß das Flugzeug etwa eine Stunde und zehn Minuten Aufenthalt hätte, bevor Flug 508 nach Palm Beach fortgesetzt wurde. Falls wir das Flugzeug verlassen wollten, müßten wir zum Wiedereinsteigen unsere Bordkarten bei uns haben. Die arme Laura Huckaby hatte nun dank meiner Bosheit keine Bordkarte mehr. Ich beobachtete sie schuldbewußt und rechnete damit, daß sie ein besorgtes Gespräch mit der Stewardeß führen oder unglücklich auf ihrem Platz sitzen bleiben würde, bis das Flugzeug wieder startete.
    Statt dessen erhob sie sich, kaum daß die Maschine am Terminal haltgemacht hatte und das Bitte-anschnallen-Schild ausgegangen war, griff sich ihren Regenmantel und den Matchsack, schob das Buch in die Außentasche und schloß sich der langsam vorwärtsschreitenden Schlange aussteigender Passagiere an. Ich wußte nicht, was ich davon halten sollte, war aber gezwungen, ihr zu folgen. Wir stapften alle durcheinander die Rampe hinunter, ein buntes Sortiment erschöpfter nächtlicher Reisender. Die wenigen Passagiere mit Reisetaschen strömten auf die Ausgänge zu, doch die meisten gingen zur Gepäckabholung. Ich behielt Laura Huckaby fest im Blick. Ihr kastanienrotes Haar war im Schlaf plattgedrückt worden, und die Rückseite ihres Jeanskleids war von Querfalten überzogen. Sie hatte immer noch den Regenmantel über dem Arm hängen, mußte jedoch zweimal innehalten, um den Matchsack von einer Hand in die andere zu nehmen. Wohin wollte sie? Dachte sie, das hier sei Palm Beach?
    Der Flughafen von Dallas/Fort Worth war in neutralen und beigen Farbtönen gehalten und mit erdfarbenen Fliesen ausgelegt. Die Korridore waren breit und zu dieser frühen Stunde still. Eine Gruppe asiatischer Geschäftsleute wurde in einem surrenden Elektrowagen an uns vorbeigekarrt, der in regelmäßigen Abständen piepte, um unachtsame Fußgänger zu warnen. Die Deckenbeleuchtung ließ uns alle gelbsüchtig aussehen. Die meisten Ladengeschäfte waren vergittert und finster. Wir passierten ein Restaurant und eine Kombination aus Zeitschriften- und Geschenkladen, wo es gebundene Bücher und Taschenbücher gab, Hochglanzillustrierte, Zeitungen, texanische Grillsaucen, Tex-Mex-Kochbücher und T-Shirts mit Texas-Logos. Die Gepäckabholung für Flug 508 tauchte hinter einer Drehtür auf. Laura Huckaby schob sich vor mir hindurch und zögerte dann auf der anderen Seite, als müßte sie sich erst zurechtfinden. Zuerst dachte ich, sie hielte nach jemandem Ausschau, doch das schien nicht der Fall zu sein.
    Ich ging an ihr vorbei und

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