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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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wirken. »In Ordnung, aber fassen Sie sich kurz. Ich erwarte einen dringenden Anruf.«
    Mein Herz begann zu klopfen. Wenn das nicht der richtige Gast war, würde es sich bald herausstellen. »Das verstehe ich, und wir sind Ihnen dankbar für Ihre Unterstützung. Also, unserem Melderegister zufolge sind Sie vergangene Nacht mit dem American-Airlines-Flug 508 aus Santa Teresa, Kalifornien, angekommen. Stimmt das?«
    Schweigen.
    »Entschuldigen Sie bitte, Ms. Hudson. Stimmt das?«
    Sie klang argwöhnisch. »Ja.«
    »Und Ihre Ankunftszeit war ungefähr ein Uhr fünfundvierzig?«
    »Das stimmt.«
    »Hatten Sie irgendwelche Schwierigkeiten, den Hotelzubringerbus zu erreichen, als Sie von der Gepäckabholung aus anriefen?«
    »Nein. Ich habe einfach den Hörer abgenommen und gewählt.«
    »Ist der Zubringerbus gleich gekommen?«
    »Im Grunde schon. Es hat etwa fünfzehn Minuten gedauert, aber das ist ja noch im Rahmen.«
    »Aha. War der Fahrer höflich und hilfsbereit?«
    »Er war in Ordnung.«
    »Wie würden Sie den Anmeldevorgang bezeichnen? Hervorragend, sehr gut, angemessen oder schlecht?«
    »Ich würde sagen, hervorragend. Ich meine, ich hatte keinerlei Schwierigkeiten oder so.« Sie engagierte sich langsam wirklich für diese Geschichte und bemühte sich, in ihren Antworten objektiv, aber fair zu sein.
    »Wir freuen uns, das zu hören. Und wie lange haben Sie vor zu bleiben?«
    »Das weiß ich noch nicht. Ich werde mindestens noch eine Nacht hierbleiben, aber darüber hinaus kann ich noch nichts sagen. Möchten Sie, daß ich Sie davon verständige, sobald ich es weiß?«
    »Das wird nicht nötig sein. Wir freuen uns, wenn Sie so lange bei uns bleiben, wie Sie möchten. Wenn ich Sie jetzt nur noch darum bitten dürfte, Ihre Zimmernummer zu bestätigen, dann sind wir schon fertig.«
    »Ich bin in Nummer 1236.«
    »Wunderbar — 1236 stimmt mit unseren Unterlagen überein. Und damit ist die Umfrage schon beendet. Vielen Dank für Ihre Geduld, Ms. Hudson, und wir hoffen, Sie genießen Ihren Aufenthalt. Wenn wir Ihnen irgendwie dienlich sein können, zögern Sie nicht, uns davon zu unterrichten.«
    Jetzt mußte ich mir nur noch eine Methode ausdenken, wie ich in ihr Zimmer kam.
    Ich drehte eine zweite Runde durch die Hotelhalle, diesmal auf der Suche nach einem Zugang zur Hinterseite des Hauses. Ich interessierte mich für Lastenaufzüge, Personaltreppenhäuser, nicht gekennzeichnete Türen oder Türen, auf denen »Personal« stand. Ich fand eine, die mit »Nur Personal« beschriftet war, ging hinein und stieg eine kurze Betontreppe zu einer Tür mit der Aufschrift »Kein Zutritt« hinab. Das konnte nicht ernst gemeint gewesen sein, da die Tür unverschlossen war und ich ohne weiteres hindurchspazierte.
    Jedes Hotel hat sein öffentliches Gesicht: sauber, mit Teppichböden ausgelegt, gepolstert, glänzend, getäfelt und poliert. Wie ein Hotel aber tatsächlich geführt wird, spielt sich unter wesentlich weniger glanzvollen Bedingungen ab. Der Korridor, den ich betrat, hatte einfache Betonwände und einen Fußboden aus braunen Kunststofffliesen. Die Luft hier war viel wärmer und roch nach Maschinen, gekochtem Essen und alten Putzlumpen. Die Decken waren hoch und von Leitungen, dicken Kabeln und Heizungsrohren überzogen. Ich konnte Geschirrklappern hören, doch machte es die Akustik schwer, dessen Herkunft zu orten.
    Ich spähte in beide Richtungen. Zu meiner Linken waren breite Metalltüren hochgerollt worden, und ich konnte die Ladezone sehen. Große Lastwagen waren rückwärts an die Laderampen herangefahren, und Überwachungskameras hingen in die Ecken montiert herab, mechanische Augen, die jeden überwachten, der sich in ihrem Umkreis bewegte. Ich wollte meine Gegenwart nicht publik machen, und so drehte ich mich um und ging in die andere Richtung.
    Ich schritt den Korridor entlang und bog um die Ecke in die erste von zahlreichen Küchen, die, einem Irrgarten gleich, ineinander übergingen. Sechs Eismaschinen standen vor mir nebeneinander an der Wand. Ich zählte zwanzig rollende, metallene Speisekarren mit Schubleisten für Tablette. Die Böden waren frisch geputzt, glänzten von Wasser und rochen nach Desinfektionsmittel. Ich ging vorsichtig weiter, vorbei an großen rostfreien Mixschüsseln, Suppenkesseln und Industriespülmaschinen, aus denen Dampf quoll. Gelegentlich blickte ein Küchenarbeiter mit weißer Schürze und Haarnetz interessiert zu mir auf, aber niemand schien meine Anwesenheit hier unten in Frage zu

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