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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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stellen. Eine Schwarze hackte grüne Paprikaschoten. Ein Weißer verkleidete einen der Rollkarren mit Plastikfolie, um die Speisen zu schützen. Es gab riesige, zimmergroße Öfen und Kühlschränke aus blitzendem Stahl, größer als die Leichenhalle im St. Terry’s Hospital. Weiteres Küchenpersonal in weißen Schürzen, mit Haarnetzen und Plastikhandschuhen wusch Salatzutaten und arrangierte sie auf Tellern, die auf der Arbeitsfläche aus rostfreiem Stahl aufgereiht standen.
    Ich steckte den Kopf in einen großen Vorratsraum vom Umfang eines Waffenlagers der Nationalgarde, der angefüllt war mit Kartons voller Ketchupflaschen, Kisten mit Senf-, Oliven- und Mixed-Pickles-Gläsern, Regalen mit abgepacktem Brot, Reihen von Croissants, hausgemachten Torten, Käsekuchen, Obstkuchen und Brötchen. Plastikbehälter waren mit Frischprodukten gefüllt. Die Luft war geschwängert von intensiven Gerüchen: gehackte Zwiebeln, köchelnde Tomatensauce, Kohl, Sellerie, Zitrusfrüchte, Hefe; Schicht um Schicht Küchen- und Putzaromen. Die Flut an Gerüchen hatte etwas Unangenehmes an sich, und mir wurde massiv bewußt, wie meine Geruchsnerven eine verworrene Mischung von Daten zu uralten Teilen meines Gehirns leiteten. Es war geradezu eine Erleichterung, auf der anderen Seite des Komplexes wieder herauszukommen. Die Lufttemperatur fiel, und die Gerüche waren auf einmal so klar wie in einem Wald. Ich fand den Hauptkorridor und bog nach rechts.
    Vor mir stand ein regelrechter Zug aus Wäschewagen an der Wand. Ihre Segeltuchflanken waren gelb und wölbten sich von den Bergen verschmutzter Bettwäsche und Handtüchern. Ich machte mich entschlossenen Schrittes auf den Weg und blickte in jeden Raum, an dem ich vorbeikam. An der Tür zur Hotelwäscherei blieb ich stehen: ein riesiger Raum voller an den Wänden montierter Waschmaschinen, von denen die meisten wesentlich höher waren als ich. Eine Laufschiene hing an der Decke, und gewaltige Netzsäcke voller Wäsche schwenkten an einer Reihe von Haken um die Ecke. Irgendwo konnte ich gigantische Trockner laufen hören. Die Luft war durchdrungen vom Geruch feuchter Baumwolle und Waschmitteldämpfen. Zwei Frauen in Uniform arbeiteten gemeinsam an einer Maschine, deren Funktion darin zu bestehen schien, die Hotelbettwäsche zu bügeln und zu falten. Die Bewegungen der Frauen wiederholten sich ständig, wenn sie die Laken aus der Maschine nahmen, nachdem diese ihren zweifachen Arbeitsgang ausgeführt hatte. Jedes Päckchen wurde noch einmal gefaltet und auf der Seite gestapelt, ohne jeglichen Spielraum für Fehler, während die Maschine das nächste frisch gebügelte Laken entließ.
    Ich ging weiter den Korridor entlang und verlangsamte meinen Schritt. Diesmal kam ich an einer niedrigen, geteilten Tür mit einem schmalen Sims vorbei, das eine kleine Theke bildete. Auf dem Schild über der Tür stand »Personalwäsche«. So, so, so. Ich blieb stehen und blickte auf das, was die Wäscherei für die Uniformen der Angestellten gewesen sein muß. Wie in einer chemischen Reinigung waren mehrere hundert zusammengehörige Uniformen gesäubert und gebügelt worden und hingen nun an einer mechanischen Laufschiene, wo sie darauf warteten, vom Personal abgeholt zu werden. Ich lehnte mich über die quergeteilte Tür und äugte durch einen dichten Wald aus Reinigungssäcken. Es schien niemand da zu sein.
    »Hallo?«
    Keine Antwort.
    Ich drehte am Knopf, öffnete die geteilte Tür und schlich mich hinein. Rasch ging ich die Uniformen durch. Offenbar bestand jede von ihnen aus einem kurzen roten Baumwollrock und einem darüberfallenden roten Kittel. Unmöglich zu erraten, was welche Größe war. Ein an jedem Kleiderbügel angebrachter Zettel nannte den Vornamen der Trägerin: Lucy, Guadalupe, Historia, Juanita, Lateesha, Mary, Gloria, Nettie. Es waren endlos viele Namen. Ich wählte aufs Geratewohl drei aus, schlich wieder davon und schloß leise die Tür hinter mir.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Ich fuhr zusammen und wäre beinahe mit der stämmigen weißen Frau in der roten Uniform kollidiert, die direkt hinter mir im Korridor stand. In meinem Gehirn herrschte völlige Leere.
    Die Nüstern der Frau blähten sich, als witterte sie den Schwindel. »Was machen Sie mit diesen Uniformen?« Ich konnte ihr praktisch die Nase hinaufsehen, was kein schöner Anblick war. Auf ihrem Namensschild stand »Mrs. Spitz, Wäschereileitung«.
    »Ah, gute Frage, Mrs. Spitz. Ich habe Sie gerade gesucht. Ich bin die

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