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Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi

Titel: Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hillenbrand
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zu, wie Muller wegfuhr. Dann zündete er sich eine Ducal an und ging ins Restaurant. Er musste sich eine Übersicht über das Chaos verschaffen, das die Polizei angerichtet hatte. Seine Souschefin hatte er bereits angerufen und gebeten, früher als sonst ins Lokal zu kommen, damit sie klar Schiff machen konnten. Dennoch sah vor allem sein Büro aus, als ob darin ein Panzer gewendet hätte. Die Küche hingegen hatte Claudine bereits wieder halbwegs auf Vordermann gebracht – offenbar hatte Lobato ihre Drohung, sämtliche Armaturen auseinanderzunehmen, nicht wahr gemacht.
    Kieffer begrüßte seine Kollegin. »Moien. Werden wir nachher öffnen können?«
    »Moien, Xavier. Ja, ich denke schon. Allerdings wird es mindestens zwei Tage dauern, bis alles wieder an seinem Platz steht, die haben hier ziemlich gewütet. Deshalb kann man nur hoffen, dass es nachher nicht allzu voll wird.«
    Er nickte und begutachtete die Küchenposten von Gardemanger, Entremetier, Saucier und so fort. Um eine große Zahl von Menschen in kürzester Zeit zu verköstigen, war eine reibungslose Küchenorganisation das Allerwichtigste. Vor allem musste die mise en place stimmen, die Vorbereitung der wichtigsten Zutaten und deren korrekte Platzierung an den Arbeitsplätzen, den Posten. Ansonsten geriet man binnen kürzester Zeit in Rücklage und alles flog einem um die Ohren. Kieffer begann damit, einige Bottiche mit Semmelbröseln, Kräutern und eingelegtem Knoblauch, die neben dem Küchenaufzug standen, zurück an ihre angestammten Plätze zu bringen. Dann schaute er nach, ob die Fonds noch dort waren, wo sie hingehörten und half Claudine, die Speisekammer aufzuräumen.
    »Kannst du nachher zur Schueberfouer fahren, Claudine? Ich würde heute gerne das ›Eglises‹ machen.«
    »Okay, Xavier. Fände ich auch ganz gut. Die Jungs fragen schon, wo du die ganze Zeit steckst.«
    Sie sagte es in einer netten Art, aber Kieffer hörte den Vorwurf dennoch heraus. Er musste sich wieder mehr um seine Kallefsbrëschtchen und Paschtéitchen kümmern und weniger um rätselhafte Algorithmen und Tabletcomputer. Er sprach mit dem gerade eingetrudelten Vorbereitungskoch die Tagesgerichte durch und ging hinunter ins Büro. Dort setzte Kieffer sich zwischen die auf fast allen freien Flächen und dem Boden liegenden Aktenordner. Die Geschichte mit Kats, dessen war er sich nun sicher, war eine verdammte Sackgasse. Ihm fehlte entweder der Grips oder das Know-how, um jene Rätsel zu lösen, die der verschrobene Mathematiker hinterlassen hatte. Und die Luxemburger Polizei hatte sich, wenn man Muller glaubte, durch Lobatos allzu forsches Vorgehen um die Möglichkeit gebracht, den Fall doch noch aufzuklären. Kieffer vermutete, dass Scholz inzwischen längst an einem Gate in Findel saß, darauf wartend, die nächste Luxair-Maschine nach Zürich zu besteigen. Verräterische Spuren in Lityerses Büros oder Melivias Computersystem würde der Sicherheitschef vermutlich unauffällig beseitigen lassen.
    Er zündete sich eine Zigarette an. War Scholz derselbe Mann, der Valérie am Telefon gedroht hatte? War er es gewesen, der sie in Paris auf offener Straße ausgeraubt hatte? Kieffer hielt das für denkbar. Aber wie sollte man es beweisen? Er hatte keine Ideen mehr. Kurz spielte er mit dem Gedanken, Valérie anzurufen, aber die Türglocke hielt ihn davon ab. Kieffer lugte durch die Bürotür ins Restaurant und sah eine Gruppe von zehn Geschäftsleuten, die gerade hereingekommen waren. Sein Bauch sagte ihm, dass die Neuankömmlinge jene Art von Kunden waren, die schon mittags ein mehrgängiges Menü essen wollten. Valérie würde warten müssen.

26
    Nachdem sie die Businesskundschaft abgefüttert hatten, lief es den Rest des Tages ruhiger als erwartet. Das »Deux Eglises« war nur spärlich besetzt, Kieffer blieb sogar Zeit, einige aufwendigere Spezialitäten für die kommenden Tage vorzubereiten. Er füllte einige Emailleformen mit Graffe Pati, einer Luxemburger Leberterrine, und stellte sie im Ofen ins Wasserbad. Danach legte er mehrere Stücke Rinderschulter zusammen mit Lauch, Lorbeer, Möhren und Wein in einen großen Steintopf und schleppte ihn in die Kühlkammer. Dort würden die Fleischstücke die kommenden Tage verbringen, bevor Kieffer sie am Wochenende in Biwwelamoud verwandelte, oder wie die Franzosen sagten: bœuf à la mode.
    Gegen zehn Uhr ebbten die Bestellungen vollends ab. Vermutlich waren viele seiner Stammgäste auf der Fouer. Außerdem tagte das EU-Parlament.

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