Letzte Fischer
Wünsche mit heruntergezogenen Mundwinkeln und spuckte von Zeit zu Zeit in den Wind.
Tran, das ganze Deck war voller Tran. Ein schwerer, dicker, zäher und nur Schimmer durchlassender Tran. Er hing vor den Augen, vor der Nase und wie Lappen vor den Gehirnwindungen. Dabei raste Tommys Herz, pumpte stark, schnell und ballerte das Blut hart durch die Schläfen. Im linken Ohr fiepte es ihm ab und an, das linke Augenlid flatterte zeitweise, alles drittrangig, es galt, einen neuen Wal übers Heck zu ziehen! Voran!
Es galt, den Blubber abzuschälen, spiralförmig wie die Schale einer Apfelsine oder der Länge nach wie die einer Banane. Es galt, den riesigen Kopf zu spalten und alles in den Rotationskocher zu befördern; alles, was da war, musste auch zerkleinert werden, um Glyzerin zu produzieren. Selbst der kleinste Fetzen Dickdarm wanderte in den Kocher, denn auch in der Scheiße des Wals konnte ja Tran sein!
Die Ausnahme bildete der Pottwal. Dessen Dickdarm behielten die Männer auf dem Deck. Sie schnitten das riesige Teil vorsichtig auf, um die wachsähnliche, graubraune, bisweilen auch grauschwarze Absonderung zu finden, die die Parfümindustrie mit Gold bezahlte: Amber, Ambra oder auch Ambergris genannt. Tommy wusste, der Pottwal sei das einzige Tier, bei dem sich diese geheimnisvolle, poröse Substanz im unteren Darm finde. Jedoch nur bei drei oder vier Tieren von hundert! Einige Wissenschaftler glaubten, es wäre ein Krebsgeschwür, aber sollte Doppelbläser ihnen das abkaufen? Er wusste nicht recht. Sollte er glauben, dass die Landratten sich mit einem Krebsgeschwür besprühten, um besser zu riechen? War am Ende das Parfüm daran schuld, dass so viele Menschen an Krebs erkrankten? War das die Rache des Pottwals? WWW – der weite Wurf des Wals? Doppelbläser wusste es nicht recht. Er stellte nach dem Reden auch das Denken ein. Er arbeitete lieber, Stunde um Stunde, Tag um Tag.
Der Arbeitstag begann für alle um halb sechs. Da hatten sie sich schon wieder in die mit Schweiß, Blut und Fett vollgesogenen Klamotten gezwängt. Die Walfänger trafen sich in der Messe zum ersten Frühstück, das jeden Morgen aus einem Berg Kartoffeln, Eiern und Speck, aus einer Kanne Kaffee mit möglichst viel Zucker und aus filterlosen Zigaretten bestand. Diese Kalorien mussten sie über die ersten Stunden bringen, und allmählich begriff Doppelbläser , dass Fettleibigkeit eine Berufskrankheit von Hochseefischern sein konnte. Er fraß mit! Er fraß alles, was ihm vorgesetzt wurde. Er soff den Kaffee wie Bier.
Und wenig später reihte er sich ein, um zwei Stunden lang weitere Wale zu zerlegen. Auf dem offenen Deck, bei Minusgraden, und Doppelbläser meinte, der Trick sei es, sich die Arbeit als Hobby vorzustellen. Das Zerlegen sei das Schrebern im Garten.
Das zweite Frühstück bestand aus Walfleisch. Es schmeckte wie ein mit viel Fett zubereitetes Steak. Abgehangen war es zart, der Koch bereitete es manchmal mit Schweinefett zu, aber immer gab es Kartoffeln und Gemüse dazu: Kalorien, Kalorien und eine Handvoll Vitamine, um die Arbeitszeit zwischen halb neun und sechzehn Uhr durchzustehen. Wankend marschierten die Walfänger in die Kombüse, um sich dann einen Imbiss aus Schwarzbrot, Walmargarine und gezuckertem Kaffee zu gönnen, ehe es bis zum Abendessen um zwanzig Uhr weiterging. Zwölf bis vierzehn Stunden Arbeit, unterbrochen von vier Essenszeiten, Doppelbläser hielt diese härtesten Wochen seines jungen Lebens durch. Er jagte sich kein Werkzeug in die Gliedmaßen, er bekam kein Fieber, er brach sich nicht einen einzigen Knochen, und das hielten die Männer bei seiner Statur durchaus für ein Wunder.
Während der sechsstündigen Ruhezeit, die man Schlaf nicht nennen könne, wie die Männer meinten, weil Schlaf ja Erholung bedeute, lagen sie wie tot in den Kojen. Und wieder verzichteten sie auf das Duschen und Waschen, und wieder steckten sie in den blutgetränkten Klamotten und aßen in der Messe die Frühstücksberge weg.
Und wieder hackten sie auf die Wale ein, die tot an den Seiten der Rimbaud schwammen, und nur der Baske ärgerte sich darüber. Wie viele Walfontänen er doch noch sah! Und diese verdammte Fangquote! Sollte er es wagen? Sollte er ein paar Tiere mehr mit der Bugharpune erlegen? Wüsste er nur, ob die Kontrolleure des ›IWC‹ an Bord kommen würden oder nicht! Missmutig zerfetzte er ebenfalls die Walleiber, getrieben vom Wunsch, noch viel mehr Tiere zu töten, um die Heuer nach oben zu treiben.
»Es
Weitere Kostenlose Bücher