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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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zerkleinern. Wir werden sägen, wir werden hacken, und wir werden zerhacken! Und nur das Blut wird uns entkommen. Es wird von der Rimbaud fließen! Das Blut wird die Haie anlocken, es wird sie wahnsinnig machen, weil sie außer Blut, das aber einen Hai nicht sättigt, nichts finden. Unser Todfeind wird das Fleisch nicht finden im puren Blutgeruch! Wir freuen uns darauf. Es wird ihn in den Wahnsinn treiben, und wir werden ihn verhöhnen, wenn wir den Wal durch den Druckkocher wandern lassen werden, um das beste Öl der Welt aus ihm zu machen. Und das beste Glyzerin werden wir aus ihm sieden, damit wir neues Dynamit gewinnen, um neue Wale töten zu können. Bei Gott, das werden wir tun! Wir kennen die Handgriffe! Wir führen die Handgriffe aus. Immer und immer wieder. Wir werden mit den Spaten ins Fett fahren, immer und immer wieder. Wir werden Höhenmeter um Höhenmeter erklimmen, bis wir oben auf der glitschigen und glatten Haut des Wals stehen. Wir werden uns Steigbügel in die Haut schlagen, wir werden Ösen hineinbohren und uns anketten. Wir werden arbeiten, wie alle Menschen überall auf der Welt ihre Arbeit tun! Der Wal lässt uns keine Wahl, bei Gott, er kommt aus den Tiefen, um uns Arbeit zu geben. Er ist Gottes Vorsehung, und wir erfüllen Gottes Wunsch, sobald der Wal die Fontäne zeigt. Und wenn ein Wal sich nicht fügt, dann ist er nicht Gottes Wal, dann ist er der Wal des Teufels, auch wenn er wirklich weiß sein sollte! Dann ist nicht Ahab der Teufel, dann ist es der Wal! Dann ist Ahab der Teufelsjäger, der Gottes Walherde Ruhe stiften soll! Schweige also von Moby - Dick , er ist der Teufel, Junge, der Teufel! – Schweig, Junge! – Schweig!«
    Offener Mund, aufgerissene Augen, Stirnhaut in Falten, so starrte Tommy Güni an, den er für einfältig gehalten hatte: » Güni , bist du der Pfarrer an Bord?«
    Er spürte, wie der Mann sich verkrampfte, er schrie fast vor Schmerz auf, als sich Günis Hand wie eine Schraubzwinge um seinen Oberarm legte.
    Der Mann sprach: »Wir aber werden Schweiß abgeben, nach Wal stinkenden, ehrlichen und tausend Jahre alten Schweiß! Denn der Wal zeigt die Fontäne, und das hätte dieses schlaue Tier schon vor Millionen von Jahren abstellen können, wenn es seine Bestimmung gewesen wäre! – Und nun, dummer Junge, komme mir nie wieder mit Mitleid! So ein edles und starkes Tier wie der Wal, das braucht kein Mitleid. Du beleidigst ihn mit deinem Mitleid. Und uns! Nie wieder, hörst du, zeige an Bord eines Walfängers nie wieder Mitleid! Sonst gibt’s was auf die Fresse nach der Messe, und da mache ich keinen Witz. – Hör auf zu lachen! Hör auf! Du blöder Bengel!«
    Aber Tommy konnte nicht aufhören, glaubte er sich doch plötzlich im falschen Epos. Wer war dieser Aushilfsmatrose Güni Sowieso ? Hysterisch lachte Doppelbläser , weil er sich Luft machen musste. Er meinte, in der Nähe des fanatischen Alten ersticken zu müssen. Tommy lachte, kicherte, krümmte sich und schwieg erst, als der Mann ihn mehrmals ohrfeigte: »Hör auf, Doppelbläser !«
    Grinsend atmete Tommy durch und hielt Güni zurück, der weitergehen wollte: »Nicht Mitleid! Respekt, Respekt vor einem Finnwal, der fünf Tode überlebt hat! Aus Respekt sollten wir ihn gehen lassen, alter Mann!«
    Der Mann befreite sich aus Tommys Griff, was ihm nur allzu leicht fiel, und stieß seinen Atem höhnisch aus: »Respekt? Respekt hat nur der Unterlegene!«
    »Ja, eben!«
    »Wir sind aber nicht unterlegen!«, schrie Güni plötzlich mit aller Kraft: »Wir sind die Krieger eines Gottes!«
    »Du armer Irrer!«
    Güni antwortete nichts mehr. Er ballte die Hand und schlug zu. Tommy duckte sich, konnte dem Schlag aber nicht ganz ausweichen. Er spürte, wie ihm das Kinn brannte, drehte sich um sich selbst und versetzte dem Mann einen Hieb in die Hüfte. Güni krümmte sich, richtete sich wütend auf und wollte beide Fäuste gerade als Hammer auf Tommys Schädel fallen lassen, als ihn der Chefharpunier zur Seite schubste und Tommy wegstieß. Der Baske stellte sich zwischen die Kämpfenden und drückte sie mit den Händen an den Hälsen weg. Er sagte kein Wort. Keiner sagte ein Wort. Einen Moment lang standen sie so da, der Baske behielt beide im Blick, ehe Güni sich aus dem Griff befreite und sich wie ein wütender Hund trollte.
    Tommys Decknachbar sagte nichts, er fragte nichts. Er schüttelte nur den Kopf und grinste dann.
    Sie gingen in die Messe, wo auch schon Güni war, um einen Pfefferminztee zu trinken. Der

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